Polen mit Militärschlag gedroht: Fragile Friedensaussichten

Kurz nach der Unterzeichnung des Friedensplanes durch den Kreml entrüstete sich Russlands Außenminister Lawrow: Tiflis und Moskau hätten unterschiedliche Texte vorgelegen.

Spielt er auf Zeit? Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Bild: dpa

MOSKAU taz In der Schwarzmeerresidenz des russischen Präsidenten in Sotschi hat Dmitrij Medwedjew am Samstag den Plan zur Beilegung des Konfliktes in Südossetien unterzeichnet. Bereits am Dienstag hatten Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy und Kremlchef Medwedjew einen Sechs-Stufenplan vorgelegt, der in groben Zügen den Status Quo vor dem militärischen Zusammenstoß russischer und georgischer Truppen vorletzte Woche wiederherstellt.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili stimmte dem Plan bereits am Freitag zu. Dem war ein mehrstündiges Gespräch mit der US-Außenministerin Condoleeza Rice vorausgegangen, die sich in Tiflis aufhielt. Der entscheidende Punkt der Vereinbarung betrifft den Rückzug der beiden Kriegsparteien auf Positionen vor dem bewaffneten Konflikt. Russlands sogenannte Friedenstruppen bleiben auch weiterhin in Südossetien stationiert.

Die USA unterstützen die europäische Friedensinitiative, scheinen jedoch mit den Einzelheiten nicht vollends einverstanden zu sein. So betonte Rice, dass es sich bei der Vereinbarung um eine Übergangslösung handele. Perspektivisch sollten auch „neutrale“ internationale Blauhelme in der Konfliktzone eingesetzt werden. In Kürze seien die Europäer dazu bereit, sagte Rice, ohne jedoch auf konkrete Absprachen hinzuweisen.

Georgien fordert seit langem die Stationierung internationaler Friedenstruppen in Südossetien. Russland lehnte dies bislang strikt ab. Das siegestrunkene Moskau dürfte dem US-Anliegen indes kaum zustimmen. Nach wie vor herrscht Unklarheit, ob die Friedensinitiative auch umgesetzt wird. Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Kremlchefs überraschte Moskaus Außenminister, Sergej Lawrow, mit dem Einwand, Russland und Georgien haetten zwei nicht identische Versionen der Vereinbarung unterschrieben. Dies solle nun über diplomatische Kanäle geklärt werden. Offensichtlich spielt Moskau auf Zeit.

Offensichtlich machen russische Einheiten denn auch noch keine Anstalten, aus Zentralgeorgien abzuziehen. Stattdessen hätten russische Militärs eine Eisenbahnbrücke der zentralen West-Ost-Verbindung gesprengt, behaupten georgische Quellen. Russlands Vizegeneralstabschef Anatoli Nogowizyn wies die Behauptung als Propaganda zurück. Der in Georgien weilende Außenminister Estlands, Urmas Paet, bestätigte unterdessen, dass die russischen Truppen noch keinen Rückzugsbefehl erhalten hätten. Paet berief sich auf ein zufälliges Gespräch mit dem in Gori stationierten Generalmajor Wjatscheslaw Borisow. Angeblich hätte die russische Seite Informationen über einen georgischen Gegenangriff erhalten, sagte Paet, und befestige Stellungen rund um Gori.

Dass es sich bei dem Konflikt im Kaukasus um mehr als eine regionale Krise handelt, hatte der Vizegeneralstabschef in einer Stellungnahme zum in Polen geplanten US-Raketenschild durchblicken lassen. Nogowizyn drohte Warschau mit einem Militärschlag. Russlands veränderte Militärdoktrin schließe einen Einsatz von Nuklearwaffen gegen Atommächte und deren Verbündete nicht aus, wenn letztere mit enstsprechenden Systemen ausgestattet würden. Mit der Stationierung von Teilen des Systems mache sich Polen zum potenziellen Ziel eines Militärschlags.

Die USA und Polen hatten sich Donnerstag geeinigt, zehn Raketen gegen die Bedrohung durch sogenannte Schurkenstaaten wie den Iran in Polen zu stationieren. Russland misstraut den US-Raketenplänen und fühlt sich davon bedroht. Auch die Ukraine, wie Georgien Aspirant auf einen Nato-Beitritt, schaltete sich ein. Präsident Wiktor Juschtschenko verlangt von Moskau, Bewegungen der auf der Krim stationierten russischen Schwarzmeerflotte drei Tage im voraus Kiew mitzuteilen. Außerdem möchte die Ukraine mit Russland Verhandlungen über ein Abkommen aufnehmen, um „einer Situation, wie sie in Georgien entstanden ist“, vorzubeugen, sagte Juschtschenko. Die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, wie leicht die Ukraine ohne Einverständnis in einen internationalen Konflikt hineingezogen werden könnte. Damit spielte Juschtschenko darauf an, dass Teile der von der Ukraine aus agierenden russischen Schwarzmeerflotte an der Seeblockade Georgiens mitwirkten.

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