: Polen liberalisiert das Abtreibungsrecht
■ Soziale Indikation wird nun anerkannt. Bisher 40.000 illegale Abtreibungen im Jahr
Warschau (dpa/taz) – Die Gebete und Gesänge Tausender Katholiken vor dem Parlament in Warschau nützten nichts: Die Abgeordneten haben das polnische Abtreibungsrecht, bisher eines der strengsten in Europa, erheblich gelockert. Damit löste das exkommunistische Demokratische Linksbündnis (SLD) ein Versprechen ein, das nicht unerheblich zu seinem Sieg bei den Parlamentswahlen vor drei Jahren beigetragen haben dürfte.
Ein erster Versuch, das Abtreibungsgesetz zu liberalisieren, war 1994 am Veto des strenggläubigen Präsidenten Lech Walesa gescheitert. Polens neues Staatsoberhaupt Aleksander Kwasniewski, ein früherer Kommunist, wird der Gesetzesänderung dagegen mit Sicherheit zustimmen. Ein fast totales Abtreibungsverbot wird damit nach nur dreieinhalb Jahren wieder abgeschafft. Das nach heftigem Streit während der Amtszeit der liberal- konservativen Ministerpräsidentin Hanna Suchocka beschlossene Gesetz erlaubte Schwangerschaftsabbrüche nur bei Gefahr für Leben und Gesundheit der Frau, nach einer Vergewaltigung oder wenn das Kind unheilbar krank zur Welt kommen würde. Ärzte, die Abtreibungen durchführen, bedrohte es mit zwei Jahren Haft.
Nach der jetzigen Gesetzesänderung ist ein Schwangerschaftsabbruch auch bei schwierigen Lebensumständen oder sozialen Problemen nach einer Pflichtberatung bis zur zwölften Woche möglich. Vor allem für linke Frauenorganisationen ist die Novelle ein Erfolg. Sie hatten heftig gegen das Abtreibungsverbot protestiert.
Die Föderation für Frauen und Familienplanung schätzt, daß bisher jährlich 40.000 bis 50.000 Polinnen illegal abtreiben lassen, oft im Ausland. Für die Frauen ist das mit erheblichen Kosten und gesundheitlichen Risiken verbunden. Nach Ansicht des Abgeordneten Krzysztof Budnik von der oppositionellen Arbeitsunion war die bisherige Regelung höchst ungerecht. Fachgerechte Schwangerschaftsabbrüche seien „für reiche Frauen kein Problem, für arme Frauen aber fast unerreichbar“ gewesen.
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