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Poker über Kongos Zukunft

Heute beginnt in der Kasinohauptstadt des südlichen Afrika der „innerkongolesische Dialog“, bei dem sich die Kriegsparteien des Kongo über eine friedliche Neuordnung des Landes einigen sollen

von DOMINIC JOHNSON

Die südafrikanische Stadt Sun City ist kein selbstverständlicher Standort einer Friedenskonferenz. Als Kasinohauptstadt des früheren Homelands Bophutatswana, eine Art Las Vegas des südlichen Afrika, verkörpert Sun City aber ganz gut den Charakter der Verhandlungen, die am heutigen Montag dort beginnen. Pokerspiele, Bluff und riskante Einsätze sind das Markenzeichen des „innerkongolesischen Dialogs“, der nach mehreren gescheiterten Ansätzen heute tatsächlich beginnen soll.

Innerhalb von 45 Tagen sollen 308 Delegierte von allen zivilen und militärischen Kräften des Kongo den zivilen Teil der Kongo-Friedensverträge umsetzen, die eine politische Neugründung des kongolesischen Staates vorsehen. Ein erster Versuch, diesen Dialog abzuhalten, war im Oktober 2001 gescheitert. Diesmal ist die internationale Vermittlung unter Leitung des botswanischen Expräsidenten Ketumile Masire optimistischer.

Doch von kongolesischer Seite sind bisher mehr Stolpersteine als Lösungswege vorgelegt worden. Die Regierung von Präsident Joseph Kabila will jede Diskussion über die Besetzung des Präsidentenamtes in einer zu bestimmenden Übergangszeit vermeiden. Aus ihrer Sicht ist sie die legitime Regierung, und ein Frieden heißt, ihr einfach die Macht im ganzen Land zu geben. Das sehen die von Ruanda und Uganda unterstützten Rebellenbewegungen, die zwei Drittel des Landes kontrollieren, anders. Sie wollen alle Institutionen zur Disposition stellen.

Den Ausschlag wird die Haltung der nichtmilitärischen Delegierten geben – also die Vertreter der politischen Parteien und der Zivilgesellschaft. Das gibt den Zivilisten ein politisches Gewicht, das sie im Krieg nicht haben, und das ist das heimliche Erfolgsrezept der Dialogvermittler.

Eventuell geht es aber schief. Sowohl Regierung wie auch Rebellen behaupten, die Zusammensetzung der zivilen Delegationen favorisiere den Gegner. Weil sie den Großteil der kleineren politischen Parteien aus Kinshasa für Marionetten Kabilas hält, will die von Uganda unterstützte „Kongolesische Befreiungsbewegung“ (MLC), die das nördliche Drittel des Kongo beherrscht, den Dialog boykottieren, und einige größere politische Parteien könnten sich dem anschließen.

Die von Ruanda unterstützte „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD), die das östliche Drittel des Kongo regiert, kommt zwar nach Sun City, hat aber ihr Pokerspiel schon vorher begonnen. Sie forderte am 8. Februar einen Waffenstillstand im Osten des Kongo, wo lokale Milizen, so genannte Mayi-Mayi, mit Unterstützung der Regierung gegen die RCD und die ruandische Armee kämpfen. Als das abgelehnt wurde, ließ sie ein Vorbereitungstreffen platzen.

Die Beteiligung der Mayi-Mayi am Dialog könnte die schwierigste Frage des Friedensprozesses werden. Sie sind in zahllose Gruppen gespalten, aber faktische Herren über weite Gebiete des östlichen Kongo. 12 Mayi-Mayi-Delegierte reisen zum Dialog, jeweils zur Hälfte auf Regierungs- und auf Rebellenseite. Das ärgert die Mayi-Mayi, die nicht anreisen. „Wer hat diese Leute bestimmt?“, erregt sich der Mayi-Mayi-Brigadekommandant Baudouin Nakabaka aus der Region um Uvira im Osten Kongos gegenüber der taz. „Wir sind nicht einverstanden mit dieser Delegation. Sie vertritt uns nicht. Wir kämpfen weiter.“ Seine Gruppe versucht nun, den mächtigsten Mayi-Mayi-Kommandanten, General Padiri, auf seine Seite zu ziehen.

Sollten Padiris Milizen zum Krieg zurückkehren, würden die RCD-Rebellen dafür die Regierung verantwortlich machen, denn Padiri ist zugleich Offizier der Regierungsarmee. Dann würde wohl nicht nur der Dialog erneut platzen. Auch die parallel zum Dialog geplante Ausweitung der UN-Blauhelmmission im Kongo wäre gefährdet.

Denn am heutigen Montag soll auch die „dritte Phase“ der UN-Mission beginnen, in der die derzeit 3.390 Blauhelme und Beobachter von passiver Überwachung des Waffenstillstands zur aktiven Entwaffnung von Milizen übergehen. Zunächst sollen 400 UN-Soldaten aus Uruguay in die ostkongolesische Urwaldstadt Kindu fliegen und dort ein Demobilisierungszentrum einrichten. Um Kindu tobten in den letzten Monaten mehrfach heftige Kämpfe zwischen RCD-Truppen und Padiris Mayi-Mayi.

Wachsende Spannungen an der Spitze von Kabilas Armee lassen darauf schließen, dass über die militärische Planung Streit in Kinshasa herrscht. General Lwetcha, Vertreter der Mayi-Mayi im Generalstab der kongolesischen Regierungstruppen, soll nach Zeitungsberichten demnächst seinen Posten verlieren. Und General François Olenga, Chef der Landstreitkräfte, wurde am Mittwoch verhaftet.

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