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Pointe kommt gleich

■ Bongo in den Dünen. Baby Neumann und Elvira Klöppelschuh stöckeln maskiert durch den schwulen Alltag

Der Witz der Tunten ist Legende: Immer 'ne kesse Lippe und ständig unter die Gürtellinie. Um so erstaunlicher, daß derlei Würze eines jeden Schwulen-Alltags bislang kaum Eingang gefunden hat in die Buchproduktion schreibender Schwuler. Die ist eher geprägt von Herzeleid, Diskri-Peitsche und düsteren Metaphern für ein düsteres Leben. So als gebe es ohne Suizid keine Anmerkung im Feuilleton.

Gleich zwei Neuerscheinungen versuchen den Rückstand aufzuholen und wollen den Leser zum Lachen bringen. „Das erste Mal“ von Baby Neumann sampelt noch einmal all die Geschichten, die bisher als erfolgreiche Serie allmonatlich im Homo-Magazin Magnus zu lesen waren. Darin macht sich der Autor auf in die „schöne neue schwule Welt“ und läßt uns teilhaben an seinen Premieren: Das erste Mal im Park, in der Sauna und auf der Klappe und auf der CSD-Demo und im Pornokino und ...

Was so daherkommt wie eine Nachhilfe fürs Coming-out, bemüht sich um die ironische Beschreibung der kleinen Abenteuer des ganz gewöhnlich urbanen Gay-Lifestyles. Ganz bemüht, doch bleibt die Ironie schon im Anlauf stecken. Da streunt die Kunstfigur Baby mit großen Kinderaugen durch die Homo-Nischen, dem Autor aber mangelt es an Souveränität und er hält den Blick nicht aus. So als ob auch er nicht wüßte, was Baby Neumann gerade erst kennenlernt. Ein Klischee reiht sich ans andere, und die Beschreibung der Orte liest sich wie ein Schulaufsatz. Noch ärger wird es mit den Personen.

Der Autor sucht seine schmale Einbildungskraft mit lauter „Wie“-Konstruktionen zu kompensieren. Eine ganz Armada schwuler Yellow-press-Ikonen muß herhalten, um den Gestalten ein Aussehen zu geben: Sie „im Kim-Basinger-Look“ und er in „Bikershorts à la Axl Rose“, der eine trägt „blondes Haar im Krystle-Carrington-Look“, der andere steht da in „Mae-West-Pose“, und Baby selbst versucht sich „als eine Mischung aus Krystle Carrington und Joan Crawford“. Das soll Stimmung machen, wo es nichts zu lachen gibt.

Und der Lauf des Geschehens wird vom Geschehen selbst diktiert, ohne Dramaturgie endet jeder Gag im leeren. So als ob einer beim Witzeerzählen ständig neu verspricht, daß die Pointe gleich kommt.

Am schlimmsten aber ist, daß der Autor keine Sympathie zeigt für das, was er sieht. Weder für die Orte noch für die Personen. Alle anderen sind immer die Blöden (es sei denn, sie sind geil), und einer nach dem anderen wird — nicht decouvriert mit teilnehmender Ironie — sondern denunziert, daß es kracht.

Ganz anders in dem Buch „Elvira auf Gran Canaria“ von Elvira Klöppelschuh. Sie kennt sich aus mit ihren Schwestern und liebt alle wie sich selbst. Mit derlei Freundlichkeit wird ihr Ausflug aus dem kalten Hamburg in das warme Homo-Eldorado von Gran Canaria zu einer Reise in eine kleine heile schwule Welt.

Mit Elvira ziehen wir des Mittags zum Strand und betrachten leckere Schenkel und geölte Rücken, nachmittags tratschen wir mit ihr und ihren Freundinnen bei Eierlikör und Tee, und in der Nacht wird die Sau rausgelassen, die so knuddelig ist wie ein rosa Hausschwein. Da gleicht ein Tag dem anderen, die „Heten“ sind mit Mühe als Zaungäste dabei, und richtige Männer sind so rar wie im richtigen Leben. Dafür kennen wir jetzt die „ReinerSche“ und die „SiggiSche“, die „KlempnerIn“ und die „Loko-LenkerIn aus Halle“. Die plappern in einem fort über Sonnenlotion und „Bongo- machen in den Dünen“, über Liebeskummer und „Abend- und Morgenlättler“.

Der lockere Ton aber hält den Autor nicht davon ab, zwischendrin immer wieder ein wenig zu pädagogisieren. Da taucht ein Aidskranker am Strand auf und wir lernen den richtigen Umgang mit der ungewohnten Situation, wir erfahren, warum Marlene Dietrich politisch korrekt war und Evelyn Künnecke nicht, und es gibt einen Kampfsportkurs für den Umgang mit homophoben Norwegern. Das hat alles seinen Platz wie im sonstigen Leben und wirkt doch aufgesetzt in dieser Tunten- Idylle, die es nicht gibt. Hier wird die Realität reingeholt, damit die unterhaltsame Fiktion nicht alleine bleibt und ohne Sinn.

Bemerkenswert bleibt, daß beide Autoren des wiederentdeckten Genres verborgen bleiben hinter falschen Namen. Der eine, Baby Neumann, ist stellvertretender Chefredakteur einer großen Publikumszeitschrift, und hinter Elvira Klöppelschuh steckt ein schwulenbewegter Historiker. Der Hang zum Pseudonym hat schwule Tradition, befremdet aber hier, wo es doch vorgeblich darum geht, der schwulen Welt ein paar authentische und zugleich lustige Seiten abzugewinnen. Elmar Kraushaar

Baby Neumann: „Das erste Mal“, Magnus-Verlag, brosch., 208 Seiten, 25 DM

Elvira Klöppelschuh: „Elvira auf Gran Canaria“, Verlag rosa Winkel, Taschenbuch, 19,80 DM

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