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„Po-Gefummel“ beim FußballWas macht der denn da?

Chiles Jara steckt seinen Finger in Anus-Nähe eines Gegners. Die mediale Berichterstattung darüber zeigt, wie verklemmt wir über Anales sprechen.

Keine Angst! Foto: Foto: superkong/photocase

Chile besiegt Uruguay bei der Copa America und zieht ins Halbfinale ein. Doch das Fußballerische rückt bei vielen Medien am Donnerstag in den Hintergrund. Denn in der 61. Minute steckt Chiles Gonzalo Jara seinen rechten Mittelfinger in die Nähe des Anus von Uruguays Edinson Cavani.

Der Vorfall löst bei vielen – männlichen – Journalisten offensichtlich Urängste und Beklemmungen aus. Bei RP-Online umschreibt ein Redakteur den Anus mit „Gesäßöffnung“, die Jara mit dem Mittelfinger „ausgiebig berührte“. Sportbild schreibt, dass Jara „den Stürmer etwas gründlicher untersucht“ habe und Eurosport berichtet vom „Tätscheln am Allerwertesten“. Bei Bild.de rettet man sich in Wortspiele. Von der „hinterhältigen Attacke“ ist die Rede, vom „Po-Gefummel“ und „schmutzigsten Foul des Jahres“, das „zum Himmel stinkt“. Und Sport1 schreibt, dass Jara provozierte, „indem er ihn an einer Stelle anfasste, wo niemand angefasst werden will“.

Woher hat der Autor diese Gewissheit? Wie traurig muss sein Sexleben sein? Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen werden sehr gerne am Anus berührt oder gar dort penetriert. Von Fingern, Zungen, Dildos und Penissen. Schwulen, Frauen und ja, wirklich – auch einigen heterosexuellen Männern gefällt das.

Der verklemmte Umgang mit allem Analen ist tief in der Kindheit verankert. Der Anus ist schmutzig, da kommt Kacka raus, den berührt man nicht. Und später leckt und penetriert man ihn nicht. Analverkehr rüttelt an den Grundfesten konservativer Sexualmoral. Es ist nutzloser Sex, dient nicht der Reproduktion, sondern nur dem Spaß.

„Mein Arsch bleibt Jungfrau“ ist ein Klassiker der heterosexuellen Selbstvergewisserung. Und auch die Sprache transportiert das Tabu. Der „Allerwerteste“ weist auf die Unantastbarkeit des Anus hin. Denn nichts scheint Heteromänner mehr zu ängstigen, als Übergriffe auf eben diesen. Nicht ist schlimmer, als die bloße Vorstellung in diesen gefingert – oder gar gefickt zu werden.

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Themen #Männer
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7 Kommentare

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  • Den Satz "Mein Arsch bleibt Jungfrau" habe ich nur von Frauen gehört :-))

  • NEIIIN, jetzt geht das schon wieder los. Warum muss in den Artikel unbedingt ein aktiver Link auf BILD.de rein?

     

    Großartige Leistung, sich über die verklemmten und menchschenverachtenden Artikel der Springer-Presse aufzuregen, aber gleichzeitig mit genau diesem Artikel diese kritisierte Seite durch Verlinkung ein höheres Google-Ranking, mehr Klicks und damit höhere Werbeeinnahmen zu bescheren! Das ist extrem kontraproduktiv und ein klassisches Eigentor! Und als Krönung gleich noch die Sport-BILD und das katholisch-konservative Blatt RP-Online belohnen. Toll gemacht, TAZ!

     

    Gerade Herr Wrusch sollte es als Online-Profi eigentlich besser wissen.

  • Sommerloch...

  • "Nicht (sic) ist schlimmer, als die bloße Vorstellung in diesen gefingert – oder gar gefickt zu werden."

     

    Dem kann ich mich vollständig anschließen und ja, ich ignoriere das ganze Heititeiti an Ironie ganz einfach genauso getrost wie der Autor die Vorstellung davon, dass es Menschen gibt denen das in der Tat unangenehm wäre. Mir zum Beispiel - und das ganz ohne Verklemmung. Ohnein! Wie hinterwäldlerisch! Der mag keine Analspiele, ihhh, der ist bestimmt kein Bio-Vegan-Feminazi-Gutmensch mit Always-On political correctness.

     

    Stimmt.

    • @Lofwyr Dunkelzahn:

      Man stelle sich vor Cavani wäre eine Frau. Ob die Taz es dann wohl auch prüde fände, dass man sich über ungefragtes Anfassen beschwert.