Plünderungen im Ostkongo: Armeegewalt weitet Krieg aus
Regierungstruppen auf der Flucht vor Nkundas Rebellen plündern in bislang friedlichen, aber von Flüchtlingen überlaufenen Orten im Ostkongo. Die UN diskutiert über mehr Blauhelmtruppen.
BERLIN taz Erneut zieht sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo die Regierungsarmee vor den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda zurück, und erneut kommt es dabei zu Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung. Wie der Militärsprecher der UN-Mission im Kongo (Monuc), Jean-Paul Dietrich, am Dienstag erklärte, verüben Regierungssoldaten seit Montagabend "Plünderungen und Übergriffe" in der Stadt Kanyabayonga sowie den nahen Städten Kayna und Kirumba. Letzte Woche hatten die Rebellen die Regierungsarmee aus der Basis Nyanzale 40 Kilometer weiter südwestlich vertrieben, und die dort stationierten Soldaten sind nun in Kanyabayonga angekommen. "Diese Umgruppierung hat Unzufriedenheit unter den in Kanyabayonga stationierten Soldaten und ihren Familien ausgelöst. Die Militärs schießen in die Luft, stehlen Autos und plündern Geschäfte", so Monuc-Sprecher Dietrich.
Es handelt sich um ein dichtbesiedeltes, strategisch wichtiges Gebiet der Bürgerkriegsprovinz Nord-Kivu, rund 175 Kilometer von der Provinzhauptstadt Goma entfernt. Nördlich von Kanyabayonga erstreckt sich ein bislang von Kämpfen verschonter Teil der Provinz, hauptsächlich vom Volk der Nande bewohnt und ökonomisch Uganda zugewandt; südlich davon beginnt die vor allem von der ruandischsprachigen Bevölkerungsgruppe Nord-Kivus bewohnte Region um Goma. Kanyabayonga liegt direkt am oberen Rand eines steilen Bergmassivs, an dessen Fuß das von Nkundas Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) kontrollierte Gebiet beginnt. Sollten die CNDP-Rebellen nach Kanyabayonga vorstoßen, stünde ihnen der Weg in die gesamte Nordhälfte von Nord-Kivu und damit in weitere Teile des Kongo offen.
Schon am Samstag hatten sich die meisten internationalen Hilfswerke aus Kanyabayonga und den Nachbarorten zurückgezogen. Mehrere hunderttausend Menschen leben dort teils seit vielen Jahren in Flüchtlingslagern, weil das Umland eine Hochburg der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) ist. Zudem sind in den letzten Wochen mehrere zehntausend Flüchtlinge aus den Kampfgebieten weiter südlich eingetroffen, und es werden immer mehr. Die humanitäre Abteilung der UNO (OCHA) begründete den Rückzug der Helfer mit der "sehr starken Militarisierung der Zone, zahlreichen Plünderungen von Häusern und Drohungen undisziplinierter Militärs". Die Bevölkerung lebe in einer "permanenten Kriegspsychose". Die UNO ist nun dabei, ihre dort stationierten Blauhelmeinheiten zu verstärken und hofft, dass die Rebellen ihr nicht zuvorkommen.
In New York nahm am Dienstag der UN-Sicherheitsrat Diskussionen über die Forderung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, die bislang auf 17.000 Soldaten begrenzte Kongo-Truppe Monuc um 3.000 aufzustocken. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rief dazu auf, diese Aufstockung dringend vorzunehmen, damit die UNO ihr Mandat des Schutzes der Zivilbevölkerung wahrnehmen könne.
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