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Plop, schon ist der Frühling da

■ Wann schlagen Hamburgs Bäume aus, und was treibt sie dazu, langsam oder ganz schnell zu grünen? Eine Umfrage unter Experten Von Kaija Kutter

Die Zeit rennt. Morgen ist Frühling und übermorgen schon wieder Weihnachten. Auf die Verlustgefühle des Älterwerdens nimmt die Natur keine Rücksicht. Wie im letzten Jahr, zum Beispiel. Da hat's im März noch geschneit und plop, kurze Zeit später waren die Bäume alle grün.

Diesmal wollen wir es genau wissen. Diesmal rauscht der Frühlings-Plop nicht so mir nichts, dir nichts unbemerkt an uns vorbei. Simple Frage an die Experten der Stadt: Wann kommen die Blätter an den Bäumen zum Vorschein?

Wer sich schon in den vergangenen Tagen rund um Ostern mit dem Fernglas ans Fenster gestellt hat, wurde enttäuscht. Trotz des sonnigen Karfreitags: Das Stadtbild hat sich nicht wesentlich verändert. Die rotgraue Fassade am Wohnhaus gegenüber bleibt weiter sichtbar, die Buchen, Birken und Eschen knospeln so vor sich hin. Der öde Weg zur U-Bahn bleibt öde. Wer darauf wartet, daß die 210.000 Straßenbäume Hamburg in einen Park verwandeln, muß sich gedulden.

Nur der Spitzahorn, das hat Gerhard Doobe vom Fachamt für Stadtgrün und Erholung bereits festgestellt, geht schon auf. Und, ergänzt der Experte auf Nachfrage, die Linden blühen. Wer über Land S-Bahn fährt, kann hier und dort die hellgrünen Blütenbüschel erspähen. „Ich habe fast den Eindruck, wir sind dieses Jahr relativ spät dran“, sagt Doobe. Oft sei die Stadt ja „plötzlich wie ausgewechselt“. Aber dieses Jahr ...

Das Aufgehen der Knospen hängt von zwei Faktoren ab: Temperatur und Tageslänge. Ist es kühl und regnerisch, so um die elf, zwölf Grad, dann „kleckert das Wachstum so dahin“. Das grüne Wunder, das wiederzuerleben die Autorin hofft, kommt nur nach größeren Temperaturschüben zustande. Wenn es am Wochende 20 Grad würden, dann kommt vielleicht der ersehnte „Plop“.

Bedingung für das natürliche Wunder, das manchmal gar über Nacht eine Baumkrone zugrünt, ist allerdings die Folge einer relativ warmen auf eine relativ kalte Wetterperiode. Temperatursprünge um 10 Grad, so eine Faustregel, die sich nicht auf alle Pflanzen verallgemeinern läßt, verdoppeln die Wachstumsgeschwindigkeit.

Die „Volumenvermehrung“, so ist beim Holzbiologischen Institut in Reinbek zu erfahren, kommt hauptsächlich durch „Zellsaftzufuhr“, sprich Wasser zustande, da die Blattstruktur in den Knospen schon vollständig ausgebildet ist. Eindrucksvoll zu beobachten an der Kastanie, deren Blätter und Blüten heute garantiert schon nicht mehr so aussehen wie gestern. Die Roßkastanie ist übrigens wegen der schönen Blüte um die Jahrhundertwende ein Modebaum gewesen. Heute wird sie kaum noch nachgepflanzt, weil die Jungbäume die durch den Autoverkehr notwendigen häufigen „Rückschnitte“ nicht vertragen, erzählt Doobe. Überhaupt hat sich der Zustand der Parkbäume seit Jahren erstmals wieder verschlechtert. Nur 66 Prozent, das ergab eine Zählung der Umweltbehörde, sind ganz gesund.

Nun zur Buche. Auf sie kommt es eigentlich an. Sie ist der „Plop“-Baum, meint die Autorin. Anfang Mai, so ist der Agrarmeteorologischen Beratungsstelle in Quickborn zu entlocken, wird deren „Blattentfaltung erwartet“. Gleichauf mit dem Ahorn und anderen Laubbaumarten, hört man von den Holzbiologen. Eiche und Esche dagegen sind als letzte dran. Das sei genetisch bedingt, erklärt ein Baumschulmann aus Pinneberg. Die Pflanzen werden eben erst ab einer gewissen Tageslänge aktiv.

Aber keine Angst, der Sommer kommt bestimmt. Auch wenn uns jetzt erst die optisch relativ langweilige Blüte von Weide, Birke und Kätzchen darauf einstimmt. Die Stachelbeeren, so hört man aus Quickborn, waren gar Ende März schon grün. Das Wintergetreide steht gut, und der – nach mehrheitlicher Expertenmeinung wohl doch bestehende – Vegetationsvorsprung von einer Woche gegenüber früheren Jahren treibt am Wochenende auch die Kirschbäume im Alten Land zur Blüte. Es geht ganz langsam dieses Jahr mit der Natur und doch ganz schnell. Wer am Fenster steht und zuguckt, sieht das Wachstum nicht. Wer aber nicht darauf achtet, kriegt bis Weihnachten wieder gar nichts mit.

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