Pläne der AfD in Meißen: Kaderschmiede in der Wiege Sachsens
Das historische Kornhaus auf dem Meißner Burgberg soll versteigert werden. Die AfD will es kaufen – und ein Schulungszentrum einrichten.
Das Kornhaus bildet mit dem Dom, der Albrechtsburg und der Nordostbebauung das berühmte Ensemble des dominanten Burgberges. Der gilt als die symbolische Wiege Sachsens. 929 wurde hier die Markgrafschaft Meißen gegründet.
Das spätgotische Gebäude erweckt derzeit allerdings nicht einen seiner historischen Bedeutung würdigen Eindruck. Die Stadt Meißen empfand das verfallende und zuletzt als Wohnhaus genutzte Gebäude als eine Last. 2008 verkaufte sie es für eine halbe Million Euro an die österreichisch-italienische Immobilienfirma Venere GmbH und verzichtete auf Rückkaufrechte. Doch der neue Eigentümer tat auch nichts, schuldet derzeit sogar 17.000 Euro Grundsteuer. Meißen beantragte Zwangsvollstreckung.
Historischer Ort, Grundstücksgröße 985 Quadratmeter, Nutzfläche laut Ausschreibung 1.785 Quadratmeter, Verkehrswert 370.000 Euro: Die AfD witterte ihre Chance. Ein Gebäude, „das mit seinem ganzen Ambiente zu uns passen würde wie kein zweites“, sagte AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter der FAZ. Bei anderen Objekten sei man bisher an privaten Konkurrenten oder an Vorkaufsrechten der Kommunen gescheitert.
AfD geriert sich als Retter des historischen Gebäudes
Kurioserweise hatte Anfang Mai noch der kulturpolitische Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, Thomas Kirste, den Freistaat Sachsen aufgefordert, „den Kulturverfall zu stoppen“ und das Kornhaus selbst zu erwerben. Nach der Sanierung könne hier ein Museum Deutsche Einheit eingerichtet werden.
Nun geriert sich die AfD selbst als Retter der historischen Bausubstanz. Erst in der Woche vor Pfingsten will der Bundesvorstand die Kornhaus-Pläne bestätigen. An der Mittelbereitstellung dürften sie nicht scheitern, zumal die AfD derzeit keine finanziellen Sorgen plagen.
Widerstand gegen die rechte Landnahme
Damit gehört das Meißner Kornhaus aber noch lange nicht der Partei. Von einem privaten Bieterkonkurrenten ist bislang nichts bekannt, die Stadt schweigt zum Verfahren. Doch der politische Widerstand gegen die rechte Landnahme wächst.
„Mit mir als Oberbürgermeister wäre es nicht so weit gekommen“, sagt der heutige Kulturpolitiker der SPD-Landtagsfraktion Frank Richter, der 2018 bei der Wahl knapp gegen Amtsinhaber Olaf Raschke unterlegen war. Schon damals stand ein Rückkauf auf seiner Agenda. Dieses „kulturelle Tafelsilber“ gehöre in öffentliche Hand.
Dabei erwartet er eine Unterstützung der Landesregierung, auch in politischer Hinsicht. Im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen steht der Satz: „Die Kommunen werden wir stärker beraten, wie sie insbesondere mit rechtsextremen Veranstaltungen und Immobiliennutzungen umgehen können.“
Das Kornhaus als Zentrum der Landesausstellung?
Richter verfolgt schon länger die Idee, das Kornhaus 2029 zum Zentrum der nächsten sächsischen Landesausstellung zu machen, wenn zugleich 1.100 Jahre Gründung der Burg Misnia durch König Heinrich I. gefeiert wird.
Auch Grüne und Linke im Landtag fordern die bislang passive Staatsregierung zum Eingreifen auf. Im laufenden Doppelhaushalt sei bereits die Erstellung eines Nutzungskonzeptes verankert. Das hat längst auch der bereits im Herbst 1989 gegründete Verein Rettet Meißen jetzt! vorgelegt.
Auch Jörg Kachelmann engagiert sich
Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Sophie Koch ist überrascht über die Resonanz ihres Twitter-Aufrufs, die „Nazikaderschmiede“ zu verhindern. Auffallend engagiert sich mit Spendenaufrufen für einen Kauf auch der Moderator Jörg Kachelmann. In der Woche vor Pfingsten plant er mit Freunden eine spektakuläre Besichtigungsaktion im Kornhaus.
Der drohende Eklat könnte abgewendet werden, wenn es gar nicht erst zur Zwangsversteigerung am 4. Juli kommt. Venere-Geschäftsführer Cesare Geat hatte schon im April gegenüber der Sächsischen Zeitung ein Entgegenkommen angedeutet. Man könne sich mit einem Flächentausch für den Wohnungsbau anfreunden und das Kornhaus zurückgeben. Die ausstehenden Gebühren, also die Grundsteuer, wolle man begleichen. Das ist bisher noch nicht geschehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid