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Plädoyer im NSU-Prozess in MünchenTreue Helfer

Die Bundesanwaltschaft sieht den Mitangeklagten André E. als zentralen Helfer der Rechtsterroristen. Auch Holger G. sei „in vollem Umfang überführt“.

Der Angeklagte Holger G. vor Gericht (Archivbild, 2014) Foto: dpa

München taz | 380 Prozesstage hat André E. geschwiegen. Als einziger Angeklagter im NSU-Prozess, viereinhalb Jahre lang. Und auch am Donnerstag verliert er kein Wort. Dafür fällt nun die Bundesanwaltschaft ihr Urteil über den 38-Jährigen. Und macht klar: Seine Strategie ist nicht aufgegangen.

„Er war die helfende Hand des NSU, von der ersten Stunde an“, sagt Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten. Die Anklagepunkte der Beihilfe zum versuchten Mord und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung hätten sich voll erwiesen. Ein „einzigartiges Näheverhältnis“ habe André E. zum Trio gepflegt, ihr „höchstes Vertrauen“ genossen. Als einziger der Mitangeklagten habe er genau gewusst, dass die Untergetauchten mordend und Anschläge verübend unterwegs waren.

Mit ihrer Abrechnung setzt die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer im NSU-Prozess fort. Bereits vor der Sommerpause hatte sie Beate Zschäpe die volle Schuld an allen NSU-Morden und Anschlägen attestiert. Auch zwei als Waffenbeschaffer Angeklagte erklärte sie für schuldig.

Nun knüpft sie sich die letzten beiden Mitangeklagten vor: zuerst André E., dann Holger G. Bis zum Schluss habe E. dem NSU-Trio die Treue gehalten, half Zschäpe noch auf der Flucht 2011. Zuvor habe er den Untergetauchten Wohnungen organisiert und Wohnwagen angemietet, mit denen diese zwei Überfälle und einen Anschlag begingen. Und als das Trio 2007 aufzufliegen drohte, begleitete E. Zschäpe auf ein Polizeirevier und gab sich als ihr Ehemann aus.

Protestaktion im Saal

Weil der Zwickauer ohne Abstriche die militante Ideologie der Rechtsterroristen teile, sei er auch in die Taten eingeweiht worden, ist Weingarten überzeugt. E.s Körper ist übersäht mit rechtsextremen Tattoos. „Die Jew Die“, lautet eines. Damit sei auch seine Sympathie fürs Morden dokumentiert, so Weingarten. „Er war wahrhaft einer von ihnen.“ Noch nach dem Auffliegen des NSU fanden Ermittler ein Bild von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in E.s Wohnzimmer, mit dem Schriftzug „Unvergessen“. Für Weingarten kommt diese „Heldenverehrung“ einem Geständnis gleich.

Auch Holger G. sieht der Bundesanwalt „in vollem Umfang überführt“. Schon zu Jugendzeiten in Jena bildete G. mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt eine Kameradschaft. Nach deren Untertauchen überließ er ihnen Reisepässe und einen Führerschein, überbrachte dem Trio eine Waffe und verwahrte für das Trio Geld. Auch G. habe damit die NSU-Terroristen maßgeblich unterstützt, so Weingarten.

Zu Prozessbeginn war es erstmals im Prozess zu einer Protestaktion im Saal gekommen. Aktivisten riefen „Wir klagen an“ von der Tribüne und warfen Papierschnipsel hinab. Die Verhandlung wurde kurz unterbrochen. Die Aktion habe sich gegen die Bundesanwaltschaft gerichtet, teilten die Demonstranten mit. Die Behörde würde bis heute nicht das Helfernetzwerk des NSU und staatliche Mitverantwortung ermitteln.

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2 Kommentare

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  • JE KRÄFTIGER...

    die wortwahl, desto dürftiger das argument, lernt man in der juristerei. daran gemessen gibt es offensichtlich viele - auch absichtsvoll gewollte - lücken in der prozessualen beweisführung der bundesanwaltschaft, die übertüncht werden müssen.

  • JE KRÄFTIGER...

    die wortwahl, desto dürftiger das argument, lernt man in der juristerei. daran gemessen gibt es offensichtlich viele - auch absichtsvoll gewollte - lücken in der prozessualen beweisführung der bundesanwaltschaft, die übertüncht werden müssen.