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Plädoyer für doppelte Null–Lösung

■ Union sieht weiterhin unterschiedliche Vorstellungen zwischen Bundesregierung und USA / Genscher fühlt sich durch Gespräche in USA gestärkt / Grüne drängen auf Volksabstimmung über doppelte Null–Lösung

Bonn (dpa/ap) - Union und FDP sind sich nach wie vor in der Abrüstungsfrage nicht einig. Bundesaußenminister Hans–Dietrich Genscher (FDP) plädierte am Dienstag nach seinen knapp eintägigen Konsultationen in Washington erneut - und im Gegensatz zur CDU/CSU - für die doppelte Null–Lösung, also für eine gleichzeitige Abrüstung von Mittelstreckenraketen mit Reichweiten über 1.000 Kilometer und 500 bis 1.000 Kilometer. In einem Interview des Norddeutschen Rundfunks wieß Genscher auf den großen Erfolg bei den Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen größerer Reichweite hin, der nur möglich gewesen sei, weil es einen europä isch–amerikanischen Schulterschluß gegeben habe. Genscher fuhr fort: „Um ein gleiches Ergebnis müssen wir auch hinsichtlich der Mittelstreckenraketen kürzerer Reichweite bemüht sein.“ Der Bundesaußenminister unterstrich seinen Eindruck, daß in der USA–Regierung bereits eine „große Übereinstimmung“ vorhanden sei, beide Kategorien der Mittelstreckenraketen in der sogenannten Doppel–Null–Variante abzurüsten. Der stellvertretende CDU/ CSU–Fraktionsvorsitzende Volker Rühe dagegen rechnet nicht mit einer doppelten Null–Lösung bei den Mittelstreckenrakten. Nach den Worten Rühes haben die Amerikaner noch keine Entschei dung getroffen. Sie seien bereit, auf die Europäer und die Deutschen zu hören. Ein Zeitdruck bestehe nicht. Die USA wünschten eine offene Antwort und wollten die Argumente der Deutschen hören. SPD und Grüne machten den Fehler, daß sie sich mit ihrer Ansicht hinter amerikanischen Politikern versteckten. CDU/CSU–Fraktionschef Alfred Dregger sagte im Deutschlandfunk im Zusammenhang mit der doppelten Null–Option, er könne sich nicht vorstellen, daß Genscher in Washington „für eine bestimmte Lösung vorweg“ geworben habe. Er glaube nicht, daß die Vorstellungen Genschers und die der Amerikaner identisch seien. „Genscher ist der deutsche Außenminister und nicht der amerikanische.“ Schließlich vertrete Genscher die Außenpolitik der Regierung und der Koalition. Die Bonner Oppositionsparteien haben dagegen eine konstruktive Antwort der Bundesregierung auf die jüngsten Abrüstungsvorschläge des Ostens angemahnt. Während das SPD–Präsidium die Regierung aufforderte, das Angebot des polnischen Staatschefs General Wojciech Jaruzelski zur konventionellen Abrüstung sorgfältig zu prüfen und „im europäischen Geist“ zu beantworten, drängten die Grünen auf eine Volksabstimmung über die doppelte Null–Lösung bei Mittelstreckenraketen größerer und kürzerer Reichweite.

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