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Piratenpolitiker zur „Gema-Vermutung“„Die Gema ist extrem unflexibel“

Wer öffentlich Creative Commons Musik spielen will, hat viel zu tun: Die Gema fordert einen Nachweis über die freie Nutzbarkeit. Der Pirat Christian Hufgard will das ändern.

Die Tariferhöhung hat die Gema unbeliebter und freie Musik beliebter gemacht. Bild: dapd
Interview von Frédéric Valin

taz.de: Herr Hufgard, Sie sind gegen die Gema-Vermutung. Die besagt, dass Veranstalter der Gema nachweisen müssen, gemafreie Musik zu spielen, wenn sie keine Gebühren abführen wollen.

Die Piraten haben da noch keine feste Position, aber wir bereiten für den Bundesparteitag entsprechende Papiere vor, um Beschlüsse zu bekommen, die die Gema-Vermutung abschaffen. Wir halten es nicht mehr für zeitgemäß, dass Veranstalter einen riesigen Aufwand betreiben müssen, um sich von den Gebühren eines privaten Vereines zu befreien.

Sie sagen privater Verein, aber die Gema kommt doch einem staatlichen Auftrag nach.

Ja, aber sie hat diesen Auftrag nicht gepachtet. Es gibt da auch andere Modelle, in den USA beispielsweise gibt es mehrere Verwertungsgesellschaften. Auch in Deutschland bauen sich Alternativen auf, C3S zum Beispiel, das ist eine Initiative für eine offene Verwertungsgesellschaft.

Sie sprechen davon, dass die Gema auf unzähligen Veranstaltungen Gema-Gebühren für Gema-freies Repertoire kassiert. Von wievielen Veranstaltungen sprechen wir da?

Der Interviewte

CHRISTIAN HUFGARD, Jahrgang 1979, ist Sprecher der Piratenpartei in Hessen und Vorsitzender des Vereins „Musikpiraten“.

Sehr schwierig zu sagen. Es gibt keine Zahlen dazu.

Verschiedene Veranstalter, die CC-Partys organisieren, haben mir im Vorfeld gesagt, dass man zwar keine konkreten Zahlen wüsste, aber alle lagen in ihren Schätzungen bei unter hundert Veranstaltungen im Jahr.

Das kann sein, aber viele Veranstalter scheuen auch einfach die Mühe, die eine offizielle CC-Party mit sich bringt. Dann zahlt man lieber die hundert Euro an die Gema, statt eine Liste aller gespielten Künstler zu erstellen, damit die Gema dann sicherstellen kann, dass keiner bei ihr unter Vertrag ist.

Die Petition

Kürzlich erreichte eine Petition im Bundestag mit mehr als 50.000 Unterzeichnern das Quorum um vom Petitionsausschuss geprüft zu werden. Sie fordert: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die sogenannte GEMA-Vermutung (§13c UrhWahrnG) aufzuheben und somit die Umkehr der Beweislast als unzulässig zu erklären.“

Gibt es eine Möglichkeit, abzuschätzen, über wie viele Lieder wir da ungefähr reden?

Es gibt die großen Portale, insbesondere jamendo. Bei „jamendo pro“ kann man rechtlich nachprüfen lassen, ob es sich tatsächlich um einen frei verfügbaren Track handelt; da sind momentan 120.000 Titel gelistet.

Die Gema betreut meines Wissens 700.000 Veranstaltungen im Jahr. Wenn wir davon ausgehen, dass es unter hundert CC-Partys gibt und 120.000 frei verfügbare Lieder, auf die man relativ problemlos zugreifen kann: Ist dann die Forderung nach einer Abschaffung der Gema-Vermutung nicht unverhältnismäßig?

Die Gema ist extrem unflexibel, was freie Musik anbelangt. Das liegt unter anderem daran, dass sie ein Monopolist ist: in den USA zum Beispiel, wo es mehrere Verwertungsgesellschaften gibt, kann man einzelne Titel frei herausbringen. In Frankreich und Schweden gibt es ähnliche Pilotprojekte. Das heißt: Es geht auch flexibler. Diese „ganz oder gar nicht“-Mentalität soll aufgebrochen werden, das wäre auch im Interesse der Mitglieder.

Außerdem wäre das natürlich im Sinne der Veranstalter. Nach den jüngsten Tariferhöhungen überlegen sich ja doch einige Clubs und Bars, wie man zumindest bei einzelnen Veranstaltungen um die Gema herumkommt. Aber weil es wahnsinnig schwierig zu beweisen ist, dass man keine Gebühren zahlen muss, verzichten die meisten einfach auf den Schreibkram. Wenn man eine Veranstaltung macht, wird schon davon ausgegangen, dass sie Gema-pflichtig ist.

Ich zitiere mal Ihren Parteifreund, Johannes Ponader: „Die GEMA-Vermutung führt heute ständig zu einer unfairen Bereicherung der GEMA an Werken.“ Aber die Gema hat doch gar nichts von dem Geld, die verteilt das ja weiter.

Naja, fünfzehn Prozent zieht die Gema an Verwaltungskosten ein. Das ist im deutschen Vergleich schon extrem hoch, andere kommen mit acht Prozent aus. Der Vorstandsvorsitzende der Gema, Dr. Harald Heker, hat sich vor kurzem sein Gehalt auf 40.000 Euro im Monat erhöht. Das durchschnittliche Gema-Mitglied bekommt ein Siebtel ausgezahlt. Klar machen sie keinen Gewinn, aber es gibt viele, die davon profitieren; zum Beispiel leistet sich die Gema ziemlich viele Angestellte. Da heißt das ja nicht viel, dass am Ende die Null steht.

Das spricht für eine Verwaltungsreform, aber nicht für eine Abschaffung der Gema-Vermutung. Wenn man die jetzt abschaffen würde, würden die bürokratischen Kosten ja deutlich steigen weil die Gema selbst jede Veranstaltung überprüfen müsste.

Das sehe ich nicht so. Am Ende ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, die Verwaltung zu straffen. Außerdem ist da die Verwaltung kein Hexenwerk: es braucht eine Liste der Mitglieder, und dann bekommt man mit einer einfachen Datenbankabfrage alle notwendigen Informationen. Wir sind der Überzeugung, dass man das auch automatisiert lösen kann. Klar, da müsste man einmal Geld ausgeben. Aber ich sehe da Spielraum, wenn man die Gehälter reduzieren würde. Dem Künstler bliebe dann kein Euro weniger

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10 Kommentare

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  • W
    WillyMeyer

    Eher gefriert die Sonne, als dass die GEMA faire und publikumsfreundliche Modelle vorstellt sowie umsetzt.

  • M
    maier1

    Juristisch heikel dürfte die Gemavermutung auch sein wegen der verletzten Eigentumsgarantie für gespielte Nicht-Gemamusik.

    Die Gema kassiert ja wegen eines einzigen gemapflichtigen Songs für den ganzen Abend. D.h. alle anderen Autoren werden von der Gema praktisch enteignet und ihres zustehenden Anteils beraubt.

  • R
    Raven

    40.000 € im Monat? Kein schlechtes Gehalt dafür das der Mann praktisch keinerlei gewichtige Verantwortung trägt.

  • E
    eins-zu-eins

    Die wirkliche Schieflage kommt doch durch die intransparente und ungerechte Verteilung der durch die GEMA vereinnahmten Gelder an die Künstler/Urheber zustande.

    Warum erhalten wenige priviligierte (weil bereits wirtschaftlich erfolgreich) Künstler unabhängig von der Aufführung mehr Geld aus dem großen Pot als andere?

    Führt eine Band eigene Lieder live auf, muss der Veranstalter (oft die Band selbst) Geld an die GEMA abführen, erhält diese Gelder aber nur zum Teil ausgeschüttet, der Rest wird an andere Künstler ausgeschüttet.

    Selbst Air-Play im Radio (heute wohl fast alles von Festplatte via Roboter-DJ) wird nicht an die Rechteinhaber der gespielten Titel nach Aufführungsfrequenz verteilt.

     

    Im Zeitalter von Playlist und ID-Tags lassen sich doch wirklich gespielte Titel melden und exakt abrechnen.

    Meinem Cloud-player kann ich unbekannte Songs ohne ID-Tag oder Eintrag in Titeldatenbanken (Garacenote, etc.) hochladen und sie werden dort (zunehmend besser) auf Titel, Urheber analysiert.

    Die komplette Internetwirtschaft basiert auf diesen Mikropayments.

     

    Wird ein CC-Song gespielt, wird dieser doch auch erkannt und der Veranstalter zahlt dafür keinen GEMA-Anteil, wird der Song nicht erkannt, kommt er eben in den - bisher einzigen - SammelTopf. So könnte es technisch heute schon sein.

  • GN
    gema nach hause

    Die GEMA-Vermutung ist in der heutigen Zeit ein Skandal.

     

    Die Beweislast zu tragen, ob irgendein unter Pseudonym und CC-Lizenz veröffentlicherter Track tatsächlich von einem vertraglich gebundenen Künstler stammt, ist unzumutbar. Der Nachweis teilweise unmöglich.

     

    Rechtliche Aspekte:

    Wenn die GEMA ihre vertraglich exklusiv gebundenen Künstler verdächtigt, unzulässigerweise unter nicht gemeldetem Pseudonym freie Musik zu veröffentlichen, dann ist das ein Problem zwischen GEMA und Künstler. Die GEMA kann dann zivilrechtlich gegen ihren Vertragspartner, den Künstler, vorgehen.

     

    Der Veranstalter hat damit überhaupt nichts zu tun, der spielt CC-Musik. Basta.

  • W
    willibald

    "Die beiden Tanzschulen in meiner Stadt schaffen das Tag für Tag - bei jedem Tanzkurs, bei jedem Übungsball, weil die spielen nämlich nur gemafreie Musik."

     

    @Fekux: Wie machen die das denn, spielen die nur Volksmusik? Da werden die Teenies aber vor lauter Begeisterung völlig aus dem Häuschen sein.

    Oder ist das eine Seniorentanzschule?

    ;-)

  • G
    Gerhard

    Auf einen wesentlichen Punkt wurde nicht eingegangen.

     

    Es ist zwar richtig, dass die GEMA keinen eigenen Gewinn macht und alles, was über die Verwaltungskosten hinausgeht, an die Mitglieder verteilt, damit endet auch schon die Gerechtigkeit der GEMA.

     

    Inzwischen ist wohl hinlänglich bekannt, dass die 5 % stimmberechtigten Mitglieder auch den Löwenanteil der Einkünfte absahnen. Hauptsächlich in deren Interesse handelt die GEMA und hat ein großes Interesse daran, die GEMA Vermutung aufrechtzuerhalten.

     

    Eine solche Beweislastumkehr ist im deutschen Recht eigentlich sehr selten, Gott sei Dank. Hätten wir es häufiger mit einer vergleichbaren Beweislastumkehr zu tun, könnte von Rechtsstaatlichkeit keine Rede mehr sein. Denn in der Regel gilt im Zivilprozess, wer etwas will, muss seinen Anspruch auch beweisen können. Mit der Beweislastumkehr muss stattdessen derjenige, von dem man etwas will, beweisen, dass die Gegenseite keinen Anspruch hat. Oft genug so unmöglich wie die Unschuld in einem Strafprozess zu beweisen. Weshalb es im Strafrecht auch die Unschuldsvermutung gibt.

     

    Im übrigen finde ich nicht, dass es Sache der Piratenpartei ist, konkrete Vorschläge für eine Alternative Verwaltung der GEMA zu machen, denn das ist Sache der GEMA beziehungsweise der Politiker, denen die Beweislastumkehr zu verdanken ist, es ist Aufgabe einer kleinen Partei, die nicht in der Regierungsverantwortung steht, Missstände anzuprangern.

  • AH
    Andreas H.

    @Fekux: Schon mal dem Link zum C3S gefolgt? Nicht? Kein Wunder, sich über die Dummheit der anderen aufregen und sich selbst nicht schlauer machen, das sind mir die liebsten Kritiker von Unwissenheit.

     

    Natürlich kann man keine genauen Zahlen geben. Wie auch. Aus einer Bezahlung geht nie hervor, ob die auf der Veranstaltung gespielten Titel überhaupt GEMA-pflichtig waren. Welcher GEMA-Verwaltungsmitarbeiter würde je auf die Idee kommen, da nachzuhaken? Welcher Betreiber würde sich über seine eigene Dummheit lauthals der GEMA gegenüber beschweren?

     

    Der Herr Hufgard gibt eine Richtung an: Es geht um die Bildung von Alternativen. Damit versucht man der GEMA Anteile zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die GEMA ihre Preis- und Managementpolitik überdenkt.

     

    Im Übrigen ist das Beispiel der Tanzschulen als Veranstalter äußerst unverhältnismäßig. Klar, wenn ich regelmäßig dieselbe Musik spiele, ist das auch kein Problem. Was ist aber, wenn man als Clubbesitzer ständig neue DJs hat, Mottoparties, etc. etc., soll dieser dann für die 100 Tracks, die da bei einer Veranstaltung gespielt werden, jedes Mal so einen Zettel ausfüllen? Für 10 Lieder in der Tanzschule ist das was anderes, vor allem, wenn man die Listen per Copy-Paste einfach ausdrucken kann. Aber für einen Clubbesitzer sieht die Sachlage etwas anders aus und genau die regen sich über die Gebühren auf. Vom Aufruhr in Tanzschulen habe ich noch nichts gehört.

  • J
    joy

    Die Freiheit der Berichterstattung

    sowie des öffentliches Diskurses ist extrem

    wichtig und absolut schützenswert ohne

    das irgendwelche politisch aktiven

    Organisationen und Firmen Kritiker mundtot

    verklagen können oder verdeckt

    diskriminieren können.

    Exklusivpolitik für Diskobetreiber aber zu forcieren,

    ist auch nur Klientelpolitik.

    Vergleichbar mit der FDP und ihrer Hotellobby.

    Im Gegenteil Musik vom Band/CD/LP/MP3-File

    sollte in der Öffentlichkeit tatsächlich wieder

    teurer werden, damit mehr Bands wieder eine

    Chance bekommen, weil die Konservenmusik am

    Ende die lebenden Künstler und Kulturaufsteiger

    wegdiskriminiert! Tanzschulen könnten wieder auch

    mehr Life-Bands engagieren. Die Instrumentenindustrie, die Tonstudios,

    vielen Nachwuchskünstler und alteingessenen

    Musikidealisten hätten wieder eine Chance sich

    zu verwirklichen und weiterzuentwickeln.

    Das sterile Weglärmen der Partygäste würde aufhören

    und man könnte tatsächlich einmal wieder unbekannte

    intelligente PartnerInnen kennenlernen ohne das man sich die Stimme wegreiert.

    Ich habe kein Problem, wenn KünstlerInnen

    wieder ordentlich Geld verdienen, solange sie sich

    nicht mit meinen Geld zustoffen und wenn mehr

    ambitionierte KünstlerInnen ihrer Berufung

    und nicht einer Ausweichlösung folgen.

    Es sollte aber nicht eine Person hunderte

    Millionen oder gar eine Mrd. Euro verdienen

    und die anderen gehen leer aus.

    Ich halte es für fairer, wenn die Künstler in

    eine gemeinsame Künsterrentenkasse einzahlen

    und die Superstars mit teilweise mäßigen Talent

    (Modern Talking) die SuperinstrumentalistInnen,

    und Vokalmusiker(ChoralsängerInnen,Gospel,

    Motown, Oper, etc.)

    der Klassik und Rock mit finanzieren, denn diese

    sind für den Kulturaufstieg und -erhalt wesentlich entscheidender.

  • F
    Fekux

    Was der Pirat da äussert hört sich nicht gerade ausgegoren an. Er kennt keine genauen Fakten und kommt mit wischiwaschie-Aussagen, ausserdem äußert er kein konkretes Ziel und macht keine konkrete Vorschläge für Maßnahmen.

     

    Ich habe den Eindruck, dass es den Piraten nur darum geht, alles kostenlos zu ziehen. Ziehen, klauen, rauben und nichts zahlen wollen, für Dinge, für die andere gearbeitet haben. Was das Innenverhältnis zwischen Gema und Künstler angeht, da gibt es andere Künstlerzusammenschlüsse, die sich um eventuelle Mißstände kümmern, das ist aber nicht die Aufgabe der Piraten.

     

    Egal, was die Piraten von sich geben, es geht immer nur darum, dass sie für die Arbeit anderer nichts bezahlen wollen. Software frei kopieren, Musik frei kopieren, aber nicht zahlen wollen.

     

    Ein Veranstalter, der es wirklich ernst meint, der füllt auch die Formulare für die Gema aus. Die beiden Tanzschulen in meiner Stadt schaffen das Tag für Tag - bei jedem Tanzkurs, bei jedem Übungsball, weil die spielen nämlich nur gemafreie Musik.