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Piraten verlieren zwei VorständeKlickt euch doch selber!

Die Piratenpolitikerin Julia Schramm tritt von ihrem Posten im Bundesvorstand zurück. Sie war zuletzt im Streit um ihr Buch in die Kritik geraten. Auch Matthias Schrade geht.

In der Kritik und nicht mehr im Vorstand: Piratin Julia Schramm. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Piratenpartei ist in einer tiefen Personalkrise. Die heftigen Spannungen im Bundesvorstand forderten am Freitag erste Konsequenzen: Zwei Beisitzer aus dem Bundesvorstand geben auf. Julia Schramm trat mit sofortiger Wirkung zurück, Matthias Schrade will seine Vorstandsarbeit noch bis zum Bundesparteitag im November fortsetzen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sebastian Nerz bedauerte die Entscheidung seiner Kollegen, „auch wenn ich sie menschlich verstehen kann“.

Schramm begründete ihren Schritt damit, dass sie ihr Denken und Handeln jeden Tag stärker an „eine alte Politikervorstellung“ anpassen musste. Diese lehne sie aber ab. Schrade gab als Grund die Verwerfungen mit dem umstrittenen politischen Geschäftsführer Johannes Ponader an. Er habe den Schritt zum Rückzug lange hinausgezögert, schreibt Schrade in seinem Blog. „Aber ich halte es inzwischen schlicht nicht mehr aus.“ Die Situation im Bundesvorstand sei „durch Johannes Alleingänge zuletzt immer schwieriger geworden“.

Schrade, der als Organisator von Parteiveranstaltungen vor allem im Hintergrund wirkt, will sich außerhalb des Vorstands weiter für die Piraten engagieren. Und er hält sich eine kleine Hintertür offen: Sein Rücktritt erfolge, „sofern sich nicht kurzfristig eine grundsätzliche Änderung der Lage ergibt oder eine turnusmäßige Neuwahl beschlossen wird“. Ponader oder er.

Johannes Ponader wird seit einiger Zeit von seinen Vorstandskollegen offen kritisiert. Es kam gar nicht gut an, dass er seinen Abschied vom Hartz-IV-Bezug inszenierte und persönliche Spenden für seinen Lebensunterhalt sammelte. In einer ausführlichen Stellungnahme auf die Rücktrittsankündigungen räumt Ponader Fehler ein. Selbst zurücktreten will er nicht, auch wenn ihm das von Piraten inner- und außerhalb des Vorstands nahegelegt wird.

Nerz äußerte via Twitter sein absolutes Unverständnis über die Äußerungen Ponaders: „Er hat nichts - aber auch absolut gar nichts - verstanden. NULL. NADA. NICHTS. Das ist unglaublich. Einfach nur *gar nichts*. Krass.“

Schramm musste viel aushalten

Schramm stand zuletzt wegen ihres Buches „Klick mich. Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin“ in der Kritik, für das sie 100.000 Euro Vorschuss bekommen haben soll. Vielen Piraten missfiel, dass Schramms Verlag gegen die Online-Verbreitung von Buchkopien vorging. Sie sahen einen Widerspruch zur Parteiposition. In einem Shitstorm wurde Schramm etwa als „verlogene Kommerzschlampe“ beschimpft.

Die 27-Jährige musste überhaupt viel aushalten in ihrer Partei, wo sie als Frau und Feministin in der Minderheit ist. Sie machte sich auch angreifbar, weil sie online offen aus ihrem Privatleben plauderte, auch wenn sie keine absolute Verfechterin von „Post Privacy“ mehr ist. Nach der Kritik rund um ihr Buch hatte sie öffentliche Auftritte, die in jüngster Zeit geplant waren, abgesagt.

Durch die Personalquerelen geraten Inhalte einmal mehr in den Hintergrund. Am Freitag endete die Antragsfrist für den Bundesparteitag. Dort wollen die Piraten ihr Bundestagswahlprogramm verabschieden. In jüngsten Umfragen liegt die Partei bei um die 5 Prozent.

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10 Kommentare

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  • B
    Bachsau

    Die Frau dreht sich wie ein Fähnchen im Wind. Seit sie was zu sagen hat, hat sie der Partei nichts als schaden zugefügt. Sie hätte nicht früher gehen müssen. Sie hätte niemals gewählt werden dürfen.

  • P
    Pink

    Welche Aufregung :-)))

    Schaut Euch die heute show des ZDF an, wo eine Piratendame feststellte, sie sei wegen der zu stempelnden Eier in diese Partei eingetreten.

     

    Ei der Daus ! So schaute Gernot Hassknecht ganz bedröppelt an sich runter und mümmelte, er müsse nun seine Eier stempeln ... selten so gelacht !

     

    Und Lachen ist gesund !!!

  • G
    Gabriel

    @ von max

     

    Ich weiß nicht, wieso Arbeiten so langsam als anrüchig gilt. Ich suche zB dringend Leute, und das in Ostdeutschland.

  • M
    max

    @Gabriel:

    Wenn man "Verantwortung übernehmen" mit "fett Geld verdienen" gleichsetzt, dann sollte man sich von solchen Projekten wie dem Bedingungslosen Grundeinkommen schnell verabschieden.

  • J
    jaybear

    Sieht aus, als ob die Piratenpartei momentan nach dem Motto "Von der Linken lernen ..." arbeitet.

    Ich denke, parteiinterne Querelen interessieren potentielle Wähler nicht wirklich.

     

    Hier draußen im Lande sieht die Welt scheinbar deutlich anders aus als beim Blick aus dem Reichen- Bundestag.

    Also mal eben rund 50 neue Bundestags-Arbeitsplätze schaffen und weiter geht's wie bisher. (... solange wir damit noch weniger als die GEZ-Abzocker verbraten, ist ja alles im grünen Bereich!)

     

    Aber sich um wirkliche Probleme breiter Bevölkerungsschichten zu kümmern, scheint für Politiker immer wniger "sexy" zu sein, zu den Themen gibt's ja die Proll-Sendungen der privaten Fernsehsender! ;-)

     

    Als nächstes dann vielleicht noch die Wahl-Pflicht einführen, mit Verfassungsschutz-Kontrolleur in der Wahlkabine, damit der Bürger auch wirklich eine Partei wählen muss! -- alternativ dann am besten einige Jahre Knast ohne Bewährung.

  • G
    Gabriel

    Martina Weisband kam integrierend und sympathisch rüber, zumindest bei Männern, Johannes Ponader dagegen eher bizarr, da hilft auch kein Einserabi. Damit wird der Traum professioneller Consultants wie Anke Domscheit-Berg über die Piraten ein Ticket in den Bundestag zu bekommen, weniger wahrscheinlich. Trotzdem ist mir eine ehemalige Microsoftverkäuferin wie Anke Domscheit-Berg lieber als Johannes Ponader. Sie hat wenigstens Verantwortung in verschiedenen Bereichen ihres Lebens übernommen.

  • N
    Nemesis

    Johannes Ponader ist ein Narzisst, wie er im Buche steht. Deswegen zeigt er sich auch so uneinsichtig!

    Er braucht die Piraten um "Groß" zu sein.

  • S
    Sören

    Ich glaube, dass die PIRATEN gerade in die gleiche Falle tappen, in denen die sogenannten "etablierten" Parteien schon lange stecken:

    Statt über politische Inhalte zu diskutieren, wird die Politik personalisiert. Es geht nur um einzelne Personen und ihre Arbeit, aber nicht um ihre Inhalte.

     

    Genauso ist es quatsch zu glauben, dass man durch Rücktritte oder Personalwechsel etwas verändern kann. Es geht um Inhalte, und die PIRATEN haben schlicht keine vorzuweisen. Deshalb stürzen sie in Umfragen ab, und nicht wegen einzelner exzentrischer Vorstandmitglieder.

  • S
    steinKlaus

    Na endlich! Das war überfällig. Wenn jetzt endlich auch noch Ponader geht, haben die Piraten vielleicht wieder eine Chance, bei der Bundestagswahl doch noch über 5% zu kommen.

  • R
    RedHead

    Schramm zurück zu treten ist ein wichtiger Schritt im Kampf um Glaubwürdigkeit. Ein sehr sinnvoller Zug der Piraten.