Piraten auf Flughafen: Good cop und bad cop zu Besuch
Die Piratenfraktion besichtigt die Pannenbaustelle des BER mit klar verteilten Rollen: Einer spielt den Provokateur, der andere gibt sich - noch - verständnisvoll.
Es schadet nicht, eine Ausbildung zum Industrieelektroniker absolviert zu haben, das merkt Andreas Baum spätestens am Dienstagmittag auf der Baustelle des Großflughafens BER. „Für so etwas hätte ich bei meinen Prüfungen Abzüge bekommen“, sagt Baum und lässt seinen Blick über einen Wust aus Kabeln über seinem Kopf schweifen. Der Fraktionschef der Berliner Piraten steht mit seinen Kollegen Martin Delius, Christopher Lauer und Heiko Herberg im Obergeschoss des BER-Terminals: dort, wo verworrene elektrische Leitungen Feuermelder und Entlüftungsklappen mit Schaltkästen verbinden, dort, wo sonst nur Bauarbeiter und Verantwortliche hinkommen und wo der Grund für das ganze Flughafendesaster zu finden sein soll: im Brandschutzschacht.
Eng und stickig ist es hier oben, aber die piratische Delegation löchert Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz und Projektchef Joachim Korkhaus eine halbe Stunde lang mit Fragen über Schaltkreise, Verantwortlichkeiten, Kostensteigerungen. Zumindest für Baum steht anschließend fest: „Hier hat jemand seine Arbeit mit einem unglaublichen Mangel an Sorgfalt ausgeführt.“
Wer hier so herumgepfuscht hat, wer es hätte wissen können und damit die Verantwortung für Bauverzögerung und Kostensteigerung trägt, das soll ab August ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus herausfinden. Der Piraten-Besuch am Dienstag ist eine Art Vorspiel dazu – und hier lässt sich gut beobachten, warum gerade Martin Delius ihn als Vertreter seiner Fraktion leiten wird. Eine Stunde lang unterhalten sich die vier vor der Baustellen-Visite mit Schwarz und Korkhaus, die Lager sitzen sich frontal gegenüber, und noch bevor es losgeht, räumt Christopher Lauer zu allererst das Tablett mit den Salami- und Käseschnittchen zur Seite, als brauche er freie Bahn für einen Showdown.
Die Piraten haben die Rollen klar verteilt. Hier Lauer in seiner bekannten Manier: provokante Fragen mit süffisantem Unterton, die klingen wie „Herr Schwarz, verstehe ich Sie richtig, dass Sie eigentlich alles richtig gemacht haben?“ Lauer gibt den bad cop, und Schwarz beginnt seine Antworten allein dreimal mit den Worten: „Herr Lauer, Sie sehen das falsch, aber ich erkläre es Ihnen gerne.“
Ganz anders Delius mit seiner sanften Stimme und dem verständigen Nicken, wenn Schwarz erklärt, dass die Einrichtung und Überprüfung einer Brandschutzanlage eben eine ziemlich aufwändige und wichtige Sache sei. Der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer, der dieses Amt für den Ausschussvorsitz niedergelegt hat, ist nicht minder kritisch, er fragt, inwieweit die Mängel früher hätten erkannt werden können (natürlich nicht) und ob der aktuell für den 17. März 2013 anvisierte Eröffnungstermin zu halten ist (Schwarz: „Das werden wir nach der Aufsichtsratsitzung im August wissen“). Freundlich, direkt, ohne Unterton: der good cop. Er will die Verantwortlichen nicht schon vor Beginn des Untersuchungsarbeit vergraulen, er weiß, dass er sie noch brauchen wird, um an entscheidende Informationen und Dokumente zu kommen.
Ob er so gnädig bleiben wird? „Wir werden sehen“, sagt Delius am Ende des Besuchs, „das wird sich vor allem dann zeigen, wenn wir Unterlagen anfordern.“ Die Untersuchungsausschüsse der Vergangenheit hätten gezeigt, dass man dann eben doch vor Gericht ziehen müsse, um den Anspruch der Öffentlichkeit auf Transparenz einzulösen.
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