Piraten-Landeschef Neugebauer über den Pannen-Parteitag: „Das ist halt passiert“
Die niedersächsischen Piraten haben immer noch keine Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aufgestellt. Landeschef Andreas Neugebauer über Basisdemokratie, Fehler und Querulanten.
taz: Herr Neugebauer, die Resonanz der Medien auf die gescheiterte Kandidatenkür beim Parteitag im Wolfenbüttel fiel deutlich aus: „Dilettantisch“ sei es zugegangen, von „Chaos“ und „Unvermögen“ war die Rede. Was haben Sie sich gedacht, als Sie die Zeitungen lasen?
Andreas Neugebauer: Nur, weil das bei uns lange dauert und weil wir uns das nicht leicht machen, heißt das nicht, dass wir dilettantisch rangehen. Wir sind eine basisdemokratische Partei, bei der jedes Mitglied zu einem Parteitag kommen kann. Wir haben keine Delegierten. Da muss dann halt drei, viermal überprüft werden, ob die Leute stimmberechtigt sind.
Sie mussten den ersten Wahlgang wiederholen, weil zwei Jugendliche unter 18 Jahren mitgewählt hatten. Ein Fall von Schlamperei?
Wir hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass jeder Teilnehmer einen gültigen Lichtbildausweis dabei haben muss. Das führte dann dazu, dass wir eine Handvoll Piraten nicht akkreditieren konnten, deren Personalausweise abgelaufen waren. Bei der Wahl ist dann nicht geguckt worden, ob alle schon 18 Jahre alt sind. Das ist halt passiert und ist uns eine Lehre fürs nächste Mal.
Viel diskutiert wurde über das Wahlverfahren. Laut Meinhart Ramaswamy, einem Anwärter für den Posten des Spitzenkandidaten, gebe es einen „Heckenschützen“, der verhindern wolle, dass die Piraten zur Landtagswahl antreten. Haben Sie Querulanten in der Partei?
46, trägt den Nickname „Didiman“, lebt in Delmenhorst, arbeitet als Informatiker und ist seit Februar Vorsitzender der niedersächsischen Piraten.
Wir hatten tatsächlich vor dem Parteitag mehrere Anträge vorliegen, den Parteitag nicht stattfinden zu lassen. Teilweise mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten. Es gibt außerdem diese Manöver, Fehler zu finden und anzufechten. Auf dem Parteitag mussten wir dann bei kniffligen Fragen immer mal wieder das Juristenteam zu Rate ziehen, um dieses Mal absolut sauber zu arbeiten. Deshalb hat das alles so lange gedauert.
Was wäre denn nach der Vorstellung der Antragsteller die Alternative zu einem Parteitag gewesen?
Den Leuten, die das betrieben, ging es nicht darum, Alternativen aufzuzeigen. Denen ging es nur darum, zu zerstören.
Wie groß ist diese Gruppe?
Das sind nicht viele. Drei, vier, fünf Leute. Das läuft unter dem Deckmantel, uns Rechtssicherheit zu verschaffen, damit wir auch ja alles richtig machen. Wie der Vater, der seine Kinder schlägt, damit die keinen Unfug machen. So ein Verhalten passt nicht in eine Partei.
Bereits im April wurde Meinhart Ramaswamy als Spitzenkandidat gewählt. Damals wurde die Wahl annulliert. Was war das Problem?
Im April hatten wir die Anfechtung im Nachhinein. Es wurde unter anderem bemängelt, dass getwittert wurde während der Wahl. Diesmal wurde schon im Vorweg angekündigt, dass wieder Klage erhoben wird. Deswegen haben wir uns vorbereitet und das hat alles Zeit gekostet.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir haben die Liste der 30 Kandidaten für die Landtagswahl bestimmt. Jetzt müssen wir die Kandidaten noch in eine Reihenfolge bringen. Das machen wir auf dem Parteitag Ende August in Delmenhorst.
Die Landtagswahl ist am 20. Januar. Wann wollen Sie über das Wahlprogramm diskutieren?
Dafür ist auch der Parteitag in Delmenhorst vorgesehen. Für die Liste werden wir noch drei bis vier Stunden brauchen, den Rest der Zeit reden wir über’s Programm.
Auf dem Parteitag in Wolfenbüttel gab es Zonen, in denen Journalisten nicht filmen oder fotografieren durften. Zugleich ist Transparenz im Politikbetrieb eine zentrale Forderungen der Piraten. Beißt sich da was?
Es ist ein Spagat zwischen unserer Forderung nach Transparenz und unserer Forderung nach dem Schutz der Privatsphäre. Wir wollen alle politischen Prozesse so transparent wie möglich gestalten. Es gab auch in Wolfenbüttel keine Hinterzimmer oder Kungel-Ecken. Aber wir wollen auch den Piraten die Möglichkeit geben, an einem Parteitag teilzunehmen, die ihr Bild nicht am nächsten Tag in der Presse sehen wollen. Ich verstehe die Aufregung darüber nicht ganz, denn der Schutz der Privatsphäre gehört selbstverständlich mit dazu.
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