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Piraten-Landeschef Neugebauer über den Pannen-Parteitag„Das ist halt passiert“

Die niedersächsischen Piraten haben immer noch keine Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aufgestellt. Landeschef Andreas Neugebauer über Basisdemokratie, Fehler und Querulanten.

Parteitag mit Pannen: Die Mitglieder der Piratenpartei mussten in Wolfenbüttel erstmal über das Wahlverfahren abstimmen. Bild: dapd
Klaus Irler
Interview von Klaus Irler

taz: Herr Neugebauer, die Resonanz der Medien auf die gescheiterte Kandidatenkür beim Parteitag im Wolfenbüttel fiel deutlich aus: „Dilettantisch“ sei es zugegangen, von „Chaos“ und „Unvermögen“ war die Rede. Was haben Sie sich gedacht, als Sie die Zeitungen lasen?

Andreas Neugebauer: Nur, weil das bei uns lange dauert und weil wir uns das nicht leicht machen, heißt das nicht, dass wir dilettantisch rangehen. Wir sind eine basisdemokratische Partei, bei der jedes Mitglied zu einem Parteitag kommen kann. Wir haben keine Delegierten. Da muss dann halt drei, viermal überprüft werden, ob die Leute stimmberechtigt sind.

Sie mussten den ersten Wahlgang wiederholen, weil zwei Jugendliche unter 18 Jahren mitgewählt hatten. Ein Fall von Schlamperei?

Wir hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass jeder Teilnehmer einen gültigen Lichtbildausweis dabei haben muss. Das führte dann dazu, dass wir eine Handvoll Piraten nicht akkreditieren konnten, deren Personalausweise abgelaufen waren. Bei der Wahl ist dann nicht geguckt worden, ob alle schon 18 Jahre alt sind. Das ist halt passiert und ist uns eine Lehre fürs nächste Mal.

Viel diskutiert wurde über das Wahlverfahren. Laut Meinhart Ramaswamy, einem Anwärter für den Posten des Spitzenkandidaten, gebe es einen „Heckenschützen“, der verhindern wolle, dass die Piraten zur Landtagswahl antreten. Haben Sie Querulanten in der Partei?

Andreas Neugebauer

46, trägt den Nickname „Didiman“, lebt in Delmenhorst, arbeitet als Informatiker und ist seit Februar Vorsitzender der niedersächsischen Piraten.

Wir hatten tatsächlich vor dem Parteitag mehrere Anträge vorliegen, den Parteitag nicht stattfinden zu lassen. Teilweise mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten. Es gibt außerdem diese Manöver, Fehler zu finden und anzufechten. Auf dem Parteitag mussten wir dann bei kniffligen Fragen immer mal wieder das Juristenteam zu Rate ziehen, um dieses Mal absolut sauber zu arbeiten. Deshalb hat das alles so lange gedauert.

Was wäre denn nach der Vorstellung der Antragsteller die Alternative zu einem Parteitag gewesen?

Den Leuten, die das betrieben, ging es nicht darum, Alternativen aufzuzeigen. Denen ging es nur darum, zu zerstören.

Will die Kandidaten noch in eine Reihenfolge bringen: Landeschef Neugebauer. Bild: dpa

Wie groß ist diese Gruppe?

Das sind nicht viele. Drei, vier, fünf Leute. Das läuft unter dem Deckmantel, uns Rechtssicherheit zu verschaffen, damit wir auch ja alles richtig machen. Wie der Vater, der seine Kinder schlägt, damit die keinen Unfug machen. So ein Verhalten passt nicht in eine Partei.

Bereits im April wurde Meinhart Ramaswamy als Spitzenkandidat gewählt. Damals wurde die Wahl annulliert. Was war das Problem?

Im April hatten wir die Anfechtung im Nachhinein. Es wurde unter anderem bemängelt, dass getwittert wurde während der Wahl. Diesmal wurde schon im Vorweg angekündigt, dass wieder Klage erhoben wird. Deswegen haben wir uns vorbereitet und das hat alles Zeit gekostet.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir haben die Liste der 30 Kandidaten für die Landtagswahl bestimmt. Jetzt müssen wir die Kandidaten noch in eine Reihenfolge bringen. Das machen wir auf dem Parteitag Ende August in Delmenhorst.

Die Landtagswahl ist am 20. Januar. Wann wollen Sie über das Wahlprogramm diskutieren?

Dafür ist auch der Parteitag in Delmenhorst vorgesehen. Für die Liste werden wir noch drei bis vier Stunden brauchen, den Rest der Zeit reden wir über’s Programm.

Auf dem Parteitag in Wolfenbüttel gab es Zonen, in denen Journalisten nicht filmen oder fotografieren durften. Zugleich ist Transparenz im Politikbetrieb eine zentrale Forderungen der Piraten. Beißt sich da was?

Es ist ein Spagat zwischen unserer Forderung nach Transparenz und unserer Forderung nach dem Schutz der Privatsphäre. Wir wollen alle politischen Prozesse so transparent wie möglich gestalten. Es gab auch in Wolfenbüttel keine Hinterzimmer oder Kungel-Ecken. Aber wir wollen auch den Piraten die Möglichkeit geben, an einem Parteitag teilzunehmen, die ihr Bild nicht am nächsten Tag in der Presse sehen wollen. Ich verstehe die Aufregung darüber nicht ganz, denn der Schutz der Privatsphäre gehört selbstverständlich mit dazu.

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3 Kommentare

 / 
  • E
    Ezek

    Das ist toll, bei den Piraten passiert was. Aufgrund der derzeitigen Lage kann keine Bundespartei behaupten die Piraten hätten keine Ahnung, weil das lässt sich eher über Schwarz, Gelb, Rot und Grün behaupten.

    Bei den piraten kommen Leute zusammen, die sich für die Geschicke unserer Gesellschaft interessieren und aktiv mitgestalten wollen. Menschen die nicht tatenlos zusehen können, wie Berufspolitiker, Wirtschaft und uninformierte sowie desinteressierte Wählerschaft sämtliche wirtschaftlichen, politischen und sozialen Errungenschaften der letzten 60 Jahre in die Tonne treten.

    Hoffentlich kann dieser bunte Trupp mündiger Bürger noch mehr Menschen für sich gewinnen, eh wir wieder eine Regierung wählen, die offensichtlich den Kontakt zu den mündigen Bürgern verloren hat!

  • DW
    DER Wahlhelfer

    Hallo.

     

    Eigentlich muss der Partei "Die Piraten" gedankt werden. Denn die Probleme, die sie derzeit aufzeigen, betreffen ein Thema, das in dem allumfassenden Medien- und Wahlwerbungspektakel rund um eine Parlamentswahl völlig untergeht: nichts weniger als das passive Wahlrecht nämlich.

     

    "Die Piraten" ist eine politische Partei. Um sich zur Wahl aufstellen zu lassen, müssen einerseits Regelungen des Parteiengesetzes sowie des niedersächsischen Landeswahlgesetzes eingehalten werden, um die Wahlvorschläge - in diesem Fall die "Landeswahlvorschläge", also die Wahlliste der Partei - festzulegen. Der Landeswahlleiter prüft die eingereichte Liste und beanstandet diese wahlweise punktuell oder bei groben Verstößen insgesamt.

     

    Letzteres war der Grund für diesen außerordentlichen Parteitag in Wolfenbüttel.

     

    Was war geschehen? Vor fünf Jahren hatten "Die Piraten" in gewisser Weise einen sagenhaften Erfolg, indem mit wenigen Parteimitgliedern ein beachtliches Signal gesetzt wurde, auch wenn die 5% Marke bei Weitem verfehlt wurde. Das Aufsehen in dieser Landtagswahl und später in der Bundestagswahl sorgte für einen enormen Mitgliederzuwachs und damit für einen sowohl sehr aufgeblähten, aber auch sehr "meinungspluralistischen" Mitglieder-Körper innerhalb dieser Partei.

     

    Das zeigt nun, dass die idealisierte basisdemokratische Vorstellung der Gründungsmitglieder in Hinblick auf die Mitwirkung in der parlamentarischen Politik enorme Schwierigkeiten bereiten kann. Aber ist das ein Problem?

    Eigentlich nicht. Denn trotz dieser Probleme bleiben "Die Piraten" ihrer Idee weitestgehend treu.

     

    Dabei treten Probleme auf, die niemand auf der Agenda hat: Ideologisten, Idealisten, Träumer, aber möglicherweise auch störende Elemente nutzen eben die "Schwächen" dieses "Systems" innerhalb der Partei und schaden der Partei in der diskutierten Weise, indem nämlich ungültige Kandidaten aufgestellt und gewählt werden oder nichtberechtigte Parteimitglieder die Wahl aktiv beeinflussen. Um diese Probleme zu lösen, muss die Partei eine Lösung finden - und das geht eben nicht per Diktat oder Steuerung von außen, sondern per innerparteilichen Diskussion.

     

    Der für "Die Piraten" schlimmste Fall ist die außerparlamentarische Mitwirkung im politischen Willensbildungsprozess, weil sie es nicht schaffen, einen Landeswahlvorschlag einzureichen; sie würden damit nicht auf den Wahlscheinen auftauchen und stünden nicht zur Wahl für den niedersächsischen Landtag. Grundsätzlich haben Sie aber Zeit, nämlich bis spätestens 90 Tage vor der Landtagswahl, um genau das zu verhindern. Es bleibt damit Zeit genug für sie.

     

    Was mir hier ein wenig fremd vorkommt, ist der merkwürdige beißende Spott, der breit gefächert in den Medien über diese Partei ausgeschüttet wird. Dieser Spott ist nicht substantiell sondern hält sich an Formfehlern auf, statt das fundamentale, partei-interne Selbstverständnis bzw. das Verständnis von einem demokratisch basierten inneren politischen Willensbildungsprozess zu diskutieren und dabei die Vor- aber auch Nachteile zu besprechen und all das auf die gegenwärtige Situation eines Bundeslandes zu projezieren, in welchem bei der letzten Landtagswahl immerhin etwa 43% der berechtigten WählerInnen das aktive Wahlrecht (aus welchen Gründen?) nicht wahrgenommen haben. Immerhin bieten auch "Die Piraten" eine Wahlalternative an - sie versuchen es zumindest; angesichts einer so desolaten Nichtwählerlandschaft sowie einer insgesamt sehr profillosen politischen Großwetterlage wäre es in der Tat angemessener, "Die Piraten" inhaltlich zu begleiten, statt sie an einen unbedeutenden Pranger zu stellen, dessen Skandalisierung aber ihren medienöffentlichen Untergang bedeuten könnte.

     

    Und nein: Weder bin ich Pirat, noch würde ich diese Partei aufgrund ihrer politischen Agenda derzeit wählen; gleichwohl sehe ich hier ein politisches Potenzial jenseits weiterer Parteien, das anders als andere Kleinstparteien auch eine beachtliche Wählerschaft auf sich vereinen könnte und dadurch möglicherweise sogar in den niedersächsischen Landtag durch "Die Piraten" einziehen könnte - das aber nur, wenn man sie in dem politischen Willensbildungsprozess auch durch die Medien entsprechend begleiten würde, anstatt einen sinnfreien stumpfen Formalismus zu einem Parteien-Mordaufruf zu stilisieren ...

     

    tl;rd

  • T
    tagesschau

    Die können halt nix!

    Und das beweisen sie immer wieder ...

    Ein Laptop reicht nicht, um Politik zu machen.

     

    Darum:

    Fertigmachen zum Kentern!