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Pippinellas und Kotflügel

■ "Stille Örtchen" sind in der Design Transfer Galerie ausgestellt / Nur vier Prozent aller Frauen setzen sich auf öffentlichen Klobrillen / Ideen zum "unkomplizierten Pinkeln"

Pfffffp. Pörrrrp. Enderbys „Afterwörter“ bleiben der Nachwelt erhalten. Ein Dichter! Ein Mann, dessen Pyjamagummi den Bauch in sanfte Hügel teilt, dessen Bartstoppeln sich im tiefen Süden seines Gesichtes zu kleinen Inseln gruppieren. Ein verlotterter Zeitgenosse! Aber ein Dichter! Ein Mann, der auf dem Abort wortgewaltiges Zeug philosophastert. „Pfingstlicher Same kam herabgestürzt / Von Evas Riesenuterus verschlungen / in diesem Spinnraum auf ein Wort verkürzt.“

Möglicherweise hat der Student Ferdinand Kramer den Roman „Enderby“ des englischen Autors Anthony Burgess gelesen. Zumindest verfolgt der Designer in spe mit dem Entwurf seiner „Toiletthek“ einen ähnlichen Gedanken: Geistige und körperliche Ausscheidungen des Menschen wie in Form von Essays einerseits und Fäkalien andererseits treffen an einem Ort zusammen. Neben Kramers Objekt sind weitere designte Klos von StudentInnen der Hochschule der Künste (HdK) ab heute in der DesignTransfer Galerie zu sehen.

Wichtige Fragen eilten den Arbeiten voraus. Warum beispielsweise setzen sich nur vier Prozent aller Frauen (Umfrage in England!) in öffentlichen Toiletten auf die Klobrille? Und wenn das tatsächlich so ist, wie strullen sie dann? Die Studentin Jenny Wieland hat sich vor dem Entwerfen ihrer „Toilette als Dschungel“ geoutet. In ihrem „Kurzen Film über das Hocken“ (eine durch Fotos konservierte Handlungsabfolge) betritt sie in edler Abendgarderobe eine Theatertoilette, klettert mit ihren Lackschuhen auf die Brille (des Klos), hebt den langen schwarzen Rock, geht in die Hocke – und pullert, was das Zeug hält!

Die Antwort auf das Problem kommt von „Frauen für unkompliziertes Pinkeln“: Einige der Studentinnen haben ihre Ideen in interessanten stillen Örtchen entladen; Berührungspunkte mit versifften Klodeckeln gibt es nicht. „Urinella“ (auch Pippinella genannt) von Stefanie Bartels etwa ist eine aus der Wand seicht emporragende Kupferblüte, in die Frauen im Stehen hineinpinkeln. Der innenliegende sogenannte „Fruchtstab“ dient als Spülung.

„Mit der Ausstellung“, sagt die betreuende Dozentin der HdK, Bettina Möllering, „soll ein breites Spektrum für öffentliche und private Toiletten gezeigt werden.“ Funktionale Aspekte stünden weniger im Vordergrund als vielmehr die Idee, mit Kreativität alten Klosetts kritisch entgegenzutreten. Und so macht Cornelia Feyerherm die öffentliche Toilette im U-Bahn-Schacht zu einem „Ort des Grauens“. Beim Verrichten der Notdurft schauen die Notdürftigen durch eine Glasscheibe auf das bunte Treiben am Bahnsteig (von außen kann man nicht hineinsehen); eine Glasrinne führt durch sämtliche Toilettenkabinen, Fäkalien werden sichtbar.

Geräusche sind hingegen das Thema von Monica Freudenberg. Die Studentin hat die Toilette in einen Klangraum, einen Sanitärbereich verwandelt. In den Kotflügeln plumpst, plätschert und raschelt es. Apropos Toilettengeräusche: In Japan sind auf öffentlichen WCs oft Klänge der Klospülungen simuliert. Da die ostasiatischen Saubermänner und -frauen allzu gerne abziehen, fließt unnötig viel Wasser in die Kanalisation. Auch diese Idee soll der Nachwelt erhalten bleiben. Tomas Niederberghaus

„Stille Örtchen“ sind in der DesignTransfer Galerie, Grolmannstraße 16, noch bis zum 6. April zu sehen.

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