Pionierin: Flott in der Robe

Die jüdische Juristin Marie Munk war Preußens erste Richterin. Auch im Exil setzte sie Maßstäbe: mit 58 wurde sie Anwältin in den USA. Nun ehrt sie der Juristinnenbund.

Die erste Richterin Deutschlands kam ausgerechnet aus dem piefigen Preußen. Die Berlinerin Marie Munk war 39 Jahre alt, als sie 1924 als erste Frau das Assessorexamen mit "Vollbefriedigend" ablegte und in den Dienst des Justizministers Eugen Schiffer eintrat. Als sie wenig später ihre Kanzlei eröffnete, berichteten sogar japanische und amerikanische Medien über die Pionierin in Robe.

Zum internationalen Frauentag am 8. März setzen der Deutsche Juristinnenbund und die jüdische Frauenorganisation Bet Debora Marie Munk ein Denkmal: In Schmargendorf, wo die Tochter einer konvertierten jüdischen Familie vor ihrer Emigration 1934 lebte, wird künftig eine Gedenktafel an sie erinnern.

"Deutschland war eher rückständig, was die Beteiligung von Frauen an der Rechtssprechung angeht", sagt Anke Gimbal, Geschäftsführerin des Deutschen Juristinnenbunds. "Während es in Frankreich, Italien oder den Niederlanden längst Anwältinnen und Richterinnen gab, debattierte man in Preußen noch über die geistige und körperliche Eignung von Frauen für die Jurisdiktion". Erst ab 1922 wurden Frauen in Preußen offiziell für juristische Berufe zugelassen.

Marie Munk, Tochter des Landgerichtspräsidents, biss sich schon vorher durch: Sie engagierte sich zunächst in der Frauen- und Sozialarbeit. Nach Ablegen des Abiturs studierte sie Jura in Berlin und Bonn und promovierte 1911 in Heidelberg. 1930 wurde sie Landgerichtsrätin und Gerichtsrätin am Amtsgericht Charlottenburg.

1914 hatte Munk in Berlin zusammen mit Margarete Berent, der ersten Rechtsanwältin Preußens, Margarete Berent, und mit Margarete Mühsam-Edelheim den "Deutschen Juristinnen-Verein" gegründet, in dessen Tradition heute der Juristinnenbund steht. Der Verein hatte sich 1933 aufgelöst, um der "Gleichschaltung" durch die NSDAP zu entgehen. Die drei jüdischen Gründerinnen gingen ins Exil.

Auch als Emigrantin war Munk eine Pionierin: Im Gegensatz zu den meisten anderen Exilantinnen, konnte sie auch in den USA wieder Fuss in ihrem Beruf fassen. "Besonders bewundernswert ist, dass sie mit Ende 50 noch das komplizierte Bar Exam, die amerikanische Anwaltsprüfung, ablegte", sagt Juristin Gimbal. "Und das auf Englisch!". Kurz vor ihrem 60. Geburtstag erhielt Munk die US-Staatsbürgerschaft und eine Zulassung als Rechtsanwältin in Massachusetts. Doch dies und die Berufung ins Amt einer Eheberaterin in Toledo, Ohio genügten ihr nicht. An der Universität Harvard erwarb sie den Titel "Außerordentlicher Professor". Schließlich arbeitete sie sich ins Wiedergutmachungsrecht ein und betrieb sieben Jahre ein gutgehende Kanzlei. 1978 starb sie in Cambridge, Massachusetts.

Für heutige Juristinnen ist die Pionierin ein Vorbild, meint Anke Gimbal. "Marie Munk promovierte nicht über Familienrecht, sondern über ein Strafrechtsthema. Bis heute sind Frauen im Strafrecht eine Minderheit, von anderen Bereichen wie Wirtschafts-und Insolvenzrecht ganz zu schweigen." Der Juristinnenbund will die Gleichstellung von Frauen in der Rechtssprechung fördern. "Es gibt noch viel zu tun", sagt Gimbal. Zwar machten Frauen mittlerweile über die Hälfte der Studienabsolventinnen und bei Rechtsanwaltszulassungen aus, doch Professorinnen oder Partnerinnen in Großkanzleien gebe es nur wenige. Am Amtsgericht Charlottenburg ist übrigens heute ein Mann Präsident, Vize ist eine Frau.

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