Pimp my Telefonzelle: Online in der Kabine
In Spanien wird die totgesagte Telefonzelle aufgewertet - zum Internetterminal. Das Upgrade soll jedermann den Netzzugang auf der Straße ermöglichen.
MADRID taz Die spanische Telefongesellschaft Telefónica möchte einen Toten zu neuem Leben erwecken. Die gute alte Telefonzelle soll flächendeckend zum Internetterminal umfunktioniert werden und damit die spanischen Kunden, die dank des Handys seit Jahren ausbleiben, wieder anlocken. In den letzten Jahren nutzen meist nur noch Touristen und Immigranten die 50.000 spanischen Kabinen. Künftig soll ein Bildschirm das Surfen auf der Straße ermöglichen. Gleichzeitig arbeitet Telefónica an einem Projekt, dass die Telefonzellen zu Wifi-Knotenpunkte umwandeln soll. In einem Umkreis von 25 Metern wird dann das Surfen mit einem eigenen Wifi-tauglichen Handy oder den Notebook möglich sein.
Telefónica verspricht sich davon neue Einnahmen. Die Chance Nutzer zu finden ist gut. Denn nur nur 42 Prozent der Spanier haben einen Internet-Anschluss zu Hause. Damit liegen sie 12 Punkte hinter dem EU-Schnitt und sogar 29 Prozent hinter Deutschland. Auf die Frage, wer das Internet regelmäßig nutzt, antworten 54 Prozent der Spanier positiv. Wer keinen Anschluss sein eigen nennt, surft auswärts. Dies sind die Kunden, die Telefónica im Auge hat.
Der Hauptkonkurrent für das Projekt ist der Internetanschluss am Arbeitsplatz. Ob Chatten, E-Mail oder das Herunterladen von Musik und Filmen, so mancher Angestellte und Beamte sitzt stundenlang in eigener Sache vor dem Bildschirm. Drei Viertel derer, die E-Mail am Arbeitsplatz haben, nutzen ihre Dienstadresse für private Zwecke. 23 Prozent suchen regelmäßig nach den neuesten Nachrichten, 11 Prozent googeln nach Produktinformationen und 6,5 Prozent gönnen sich schon mal ein Päuschen auf einschlägigen Seiten. Durchschnittlich verbringen Spaniens Beamten und Angestellten wöchentlich eine halbe Stunde für Privates am Firmencomputer.
Doch diese Fluchten aus der Arbeitswelt in die virtuelle Welt werden immer gefährlicher. Wurde das private Surfen am Arbeitsplatz vom Chef ausdrücklich verboten, reicht eine Verfehlung für eine Kündigung, so die Rechtssprechung. Die Vorgesetzten dürfen gar die E-Mail ihrer Angestellten öffnen, sofern ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es sich um ein Arbeitsmittel handelt und nicht um eine persönliche Adresse.
Die Telefonzelle gegenüber könnte deshalb schon bald ein beliebter Platz für die Mittagspause werden.
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