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Pilotprojekt anonyme Bewerbungen"Türkischer Name mindert die Chance"

Christine Lüders, neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, über die Vorteile ihres bald startenden Versuchs von Bewerbungen ohne Angabe von Namen, Geschlecht oder Alter.

Mehr als 10.000 Personen berät die Antidiskriminierungsstelle um Christine Lüders. "Tendenz steigend." Bild: dpa
Interview von Karin Schädler

taz: Frau Lüders, Sie haben als neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein schweres Erbe angetreten. Ihrer Vorgängerin wurde vorgeworfen, Sie paktiere lieber mit der Wirtschaft, anstatt sich für die Diskriminierten selbst einzusetzen. Was wollen Sie anders machen?

Christine Lüders: Abgesehen davon, dass ich die Arbeit meiner Vorgängerin nicht kommentieren möchte: Mir geht es ganz klar darum, den Betroffenen zu helfen, und das ist unser Schwerpunkt. Trotzdem finde ich es auch wichtig, die Wirtschaft mit im Boot zu haben. Viele Unternehmen sind in Sachen Vielfalt bereits gut aufgestellt. Es ist uns wichtig, auf sie aufmerksam zu machen, damit andere sich ein Beispiel daran nehmen.

Ihrer Vorgängerin wurde vorgeworfen, ihre eigentliche Aufgabe vernachlässigt zu haben: die Beratung von diskriminierten Menschen.

Wir haben mittlerweile 10.000 Beratungsfälle, Tendenz steigend. Bei uns bekommt jeder Mensch ganz konkrete Informationen, wie ihm geholfen werden kann. Aber wir müssen auch Beratung vor Ort sichern, damit Menschen wohnortnahe Anlaufstellen haben. Deshalb geben wir den größten Teil unseres Budgets in den Aufbau eines bundesweiten Beratungsnetzwerks.

Nun haben Sie ein Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungen gestartet. Wirtschaftsverbände haben sich bereits kritisch geäußert. Werden sich jemals wirklich viele Unternehmen an einem solchen Verfahren beteiligen?

Momentan bestehen vonseiten der Wirtschaftsvertreter noch Ängste, dass der bürokratische Aufwand zu groß sein könnte. Ich sehe das aber anders. Denn meistens bewirbt man sich heute online, und dort eine Bewerbungsmaske zu ändern ist kein großer Aufwand. Außerdem plane ich nicht, anonymisierte Bewerbungen gesetzlich zu verankern, sondern möchte lediglich testen, wie das in Deutschland funktionieren könnte. Studien belegen, dass Menschen mit türkischem Namen in Deutschland 14 Prozent schlechtere Chancen haben, überhaupt in ein Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Auch Frauen mit Kindern oder ältere Menschen werden oft benachteiligt. Das erfahren wir immer wieder in Beratungsgesprächen. Insofern ist mir das Projekt sehr wichtig.

Man hört Sie nicht so sehr als Stimme in aktuellen politischen Diskussionen. Warum?

Sie werden mich schon noch kennenlernen. Wir sind eine eigenständige, unabhängige Stelle, und ich habe mich in meiner kurzen Zeit hier bereits deutlich bekannt gemacht. Aber ich halte nichts davon, mich in jede politische Debatte einzumischen. Ich mache das in den Bereichen, in denen wir etwas bewegen wollen. Das sind im Augenblick die anonymisierten Bewerbungsverfahren und unser Bundesnetzwerk. Aber ich haue auch schon einmal rein, zum Beispiel, wenn Herr Sarrazin sich mal wieder populistisch aus dem Fenster hängt.

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21 Kommentare

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  • K
    Kammerjäger

    Genausowenig wie man einen Personalchef zwingen kann

    einen bekennenden Nazi einzustellen,sollte es normal

    sein einen bekennenden 'Anti-Christen'- d.h.Moslem -

    abzulehnen!

  • V
    vic

    Anonoyme Bewertungen, selbstverständlich ohne Foto müssen Standard, alle abweichenden Mappen ignoriert werden.

    Die Personalabteilungen werden auch so reichlich "Argumente" vorbereiten, missliebige BewerberInnen nach dem Vorstellungsgesprach mit einem "wir melden uns wieder" abzulehnen.

    Wenn ich hier lese, fremdländische Namen sollten eben eingedeutscht werden, muss ich kotzen.

  • E
    Eralp

    "von HamburgerX:

     

    Was taten die zugewanderten Polen Anfang des 20. Jahrhunderts, die es wahrlich nicht immer leicht hatten in Deutschland? Sie gaben ihren Kindern deutsche Vornamen, teilweise änderten sie sogar ihre Nachnamen - und brachten die Integration und die gesellschaftliche Annäherung auch so voran."

     

    Das ist doch nicht Ihr Ernst?

    Sie verlangen also von Menschen, die eine andere Namenskultur haben, diese aufzugeben, um als Deutscher akzeptiert zu werden?! Das wäre keine Integration, sonder eine Assimilierung..

    Ich glaube das funktioniert auch nur solange, bis man im Bewerbungsgespräch ist.. Dann sitzt nämlich vor der dem Personalchef, ein Mehmet mit schwarzen Haaren und dunkler Haut, obwohl er Max heißt...

  • F
    franziska.qu

    Der Name an sich mindert nicht die Chance. Es kommt darauf an, was in den Unternehmen damit identifiziert wird. Viele dieser türkisch/arabischen Migranten tun ja, realistisch betrachtet, wenig, an diesem -oft schlechtem- Image etwas zu ändern. Denn, liebe Leute, auch die Migranten sind in der Pflicht. Deutsche Sprache, ordentliche Kleidung und Auftreten, berufliche Qualifikation. Mit diesen Voraussetzungen haben auch Migranten gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Und es gibt viele Unternehmen, bei denen es auch die Möglichkeit gibt, eine Bewerbung persönlich abzugeben und evtl. Vorurteile durch den dadurch möglichen persönlichen Eindruck sofort abzubauen. Bei den geichen Voraussetzungen (s.o.) haben Migranten durchaus keine schlechteren Chancen.

    In einem Lande allerdings, in dem von Medien und vielen Politikern allein die Forderung nach dem erlernen der deutschen Sprache als 'rassistisch' diffamiert wird, müssen natürlich Wege gesucht werden, diese formalen Anforderungen zu umgehen.

    Nun muß man sich allerdings anschauen, welche Migranten keine Arbeit finden, auch nicht finden wollen (doch, doch, gibt's), und diese Anonymisierungskampagne entpuppt sich als lächerlich.

    Den Migranten, denen es wirklich um Integration in dieses Land geht, tut man damit keinen gefallen. Und, taz, Recherche ist gerüchteweise noch immer nicht verboten.

  • R
    Riin

    Ein realistischer Schritt für die näächste Zeit wäre vielleicht, endlich Bewerbungen mit Bild zu verbieten, wie es in fortschrittlicheren Ländern schon der Fall ist.

  • A
    AntiRa

    Ich bin geschockt, was das hier für seltsame Kommentare sind. Ich habe das Gefühl, nicht die TAZ, sondern die WELT zu lesen. Es ist doch einen Versuch wert. Ich kenne genug Menschen mit arabischen Vor- und Nachnamen, die sich sogar offiziell im Pass umbenannt haben, um ihre Jobchancen zu verbessern. Und mancher Personaler wird erstaunt sein, wieviele fähige Frauen da plötzlich vor ihm sitzen!

  • H
    hl.Pius-X

    Freiheit heißt wählen zu dürfen . Sie ist Ausdruck der Vernunft . Niemand muss sich vorschreiben lassen mit wem er einen Vertrag schließt. Befürworter des Antidiskriminierungsgesetzes fälschen den richtigen Begriff der Freiheit (Gleichheit) oder dehnen ihn über Gebühr aus, so dass sie sehr vieles in den Bereich der Freiheit verweisen, worin der Mensch, nach dem Urteil der gesunden Vernunft, nicht frei sein kann, weil er die Regulierung(Kommunismus) erkennt.Wenn also die Obrigkeit etwas befiehlt, das im Widerspruch steht mit den Grundsätzen der gesunden

    Vernunft und dem Staate schädlich ist, so hatt es keine Gesetzeskraft, weil es keine Regel der Gerechtigkeit ist und die Menschen jenem Gute entfremdet würden,wofür die menschliche Gesellschaft doch da ist.

    Man wird deshalb der politischen Klasse den Gehorsam verweigern . Es ist ein leichtes, das Antidiskriminierungsgesetz sauber zu umgehen.

  • C
    christian

    "Denn meistens bewirbt man sich heute online, und dort eine Bewerbungsmaske zu ändern ist kein großer Aufwand" - in welcher Welt lebt die gute Frau denn? Sicher online- Bewerbungen sind auf dem Vormarsch, aber bilden für die überwältigende Mehrzahl der betriebe, Behörden und vor allem der einstellenden Kommunen immer noch eine kleine Minderheit! ich sehe schon kommen, dass ich alle 300 Bewerbungen auf eine AnwärterInnenstelle (gD) einladen muss, ob sie das gesetzliche maximalalter erreicht ahben, oder nicht. Mit dem AGG wurde schon viel Schindluder getrieben, bis hin zu einem Schwerbehinderten Mitmenschen, der uns verklagt hat, das Studiennoten nicht berücksichtigt werden dürften, er ahbe sein Studium nur ja nur deswegen so schlecht und anch so langer zeit abgeschlossen weil er schwerbehindert war. mag ja sein, soll ich dann die 63 bewerberInnen, die bessere Noten hatten "hinten runter fallen lassen" PS: er hat das Verfahen vor dem Arbeitsgericht

  • A
    Ali

    Das sind ja gaaaanz neue Erkenntnisse!

    Ich bin überrascht.

  • H
    hto

    "Pilotprojekt" - nur Fliegen ist schöner

  • H
    hto

    Ihr sollte eine neue Rubrik einfügen - ABSURDE INTERVIEWS

  • U
    Uzgür

    "Denn meistens bewirbt man sich heute online,..."

     

    Die Frau hat sich wohl schon lange nicht mehr beworben, oder? Was für ein Unsinn. Natürlich sind auch Onlinebewerbungen möglich, manchmal sogar gefordert, aber daß man sich meistens online bewirbt ist mir völlig neu, ich spreche da aus Erfahrung, habe mich noch nie online beworben, selbst in der Medienbranche, und trotzdem oder gerade deswegen hat es geklappt.

     

    "Nun haben Sie ein Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungen gestartet. Wirtschaftsverbände haben sich bereits kritisch geäußert."

     

    Ich sehe das auch kritisch, ist doch im Grunde Zeitverschwendung, für alle beteiligten. Dann wird der Bewerber zum Gespräch eingeladen, um ihm dann leider, leider leider leider mitzuteilen, er sei unterqualifiziert, oder die Stelle wäre doch schon besetzt worden etc.

     

    "Türkischer Name mindert die Chance"

     

    ...umgekehrt, deutscher Name und deutsches Aussehen mindert Chance auf einem Job bei einem türkischem Arbeitgeber, wurde mir selbst von einer Betroffenen erzählt.

  • K
    Kunibert

    Ich kenne einige Hochschulabsolventen auch in den Naturwissenschaften, die türkische oder arabische Namen haben und trotz sehr guter Abschlüsse viel mehr Probleme haben einen Job zu finden, als mittelmäßige Studenten mit deutschem Namen. Das ist seit Jahrzehnten ein Fakt. Nicht zuletzt deswegen kann man über den angeblichen Ingenieurmangel nur lachen. Diese Aussage ist unter den genannten Umständen schon fast "rassistisch".

  • B
    bilgi

    Die Idee künftig Bewerbungen anonym zu halten finde ich sehr gut, es wäre zumindest ein erster Schritt, um überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, welches die Chancen vorerst enorm erhöht. Allerdings nur, bis man sich bei einem Vorstellungsgespräch gegenübersteht und dann alle negativen Vorurteile über Menschen mit Migrationshintergrund oder nicht deutsche Staatsbürger bei dem gegenüber abgerufen werden. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es in Deutschland zunehmend schwerer wird beruflich Fuß zufassen, wenn man kein deutscher Staatsbürger ist. Besonders in sehr christlich geprägten Städten, in denen auch die Angabe der Konfession an erster Stelle in der Bewerbung kontrolliert und bei nicht gefallen aussortiert wird. Wirklich traurig.

  • CG
    C. Gerhardt

    Was für ein Unsinn. Gibt es irgendwelche Voraussetzungen die man/frau erfüllen muss um Leiterin der Antidiskriminierungsstelle zu werden? Wenn ja, scheinen diese ja nicht sonderlich hoch zu sein. Aber mit Erlaub, so einen Quatsch habe ich noch nie gelesen!

  • H
    HamburgerX

    Was taten die zugewanderten Polen Anfang des 20. Jahrhunderts, die es wahrlich nicht immer leicht hatten in Deutschland? Sie gaben ihren Kindern deutsche Vornamen, teilweise änderten sie sogar ihre Nachnamen - und brachten die Integration und die gesellschaftliche Annäherung auch so voran.

     

    Integration früher funktionierte ohne Antidiskriminierungsgesetz, Antidiskiminierungsstellen oder Antidiskriminierungsbeauftragte.

     

    Jedenfalls sind Vorhaben wie "anonyme Bewerbungen" in meinen Augen eine völlig absurde Entwicklung. Spätestens beim Einstellungsgespräch ist Anonymität unmöglich - es sei denn, man zwingt uns bald alle dazu, mit einer Burka zu arbeiten. Nicht lachen: Nichts ist heute mehr ausgeschlossen in den Köpfen mancher Politikerhirne.

  • AA
    Aiman A. Mazyek

    Vielleicht, man wagt es fast nicht auszuschreiben, hat es aber auch etwas mit den Verhältnissen und der Unwilligkeit innerhalb der türkischen und arabischen Familien zu tun.

    Aber einfacher ist es natürlich die Mehrheitsgesellschaft in Verantwortung zu nehmen.

     

    Und täglich grüßt das Murmeltier....

  • HM
    Hans Mann

    Versuchen Sie, dieses Konzept in die Praxis umzusetzen. Ich geben Ihnen Brief und Siegel, dass Ihr in meinen Augen unsinniges Vorhaben hinsichtlich ökonomischer Gesichtspunkte kläglich scheitern wird.

     

    Dennoch viel Glück, Frau Lüders!

  • TT
    thomas t.

    Ich sehe aus wie ein Deutscher (ein Elternteil), spreche wie einer, habe die Hochschulausbildung wie einer, nur eines fällt auf: Mein Nachname.

     

    Leider hängen sich alle daran auf, aber wenn ich eine krumme Nase hätte, wäre die es, wenn ich ein Arbeiterkind wäre, wäre es diese Tatsache, und hätte ich einen Akzent, dann würden andere darauf verweisen. Mittlerweile nehme ich das nicht mehr persönlich, ich weiß aber, wie menschlich unterentwickelt viele, viele Mitbürger sind. Lasst euch nicht auseinanderdividieren!

  • DB
    Deutscher Bewerber

    Türken hin, Diskriminierung her - anonyme Bewerbungen sind für ALLE schlicht und ergreifend notwendig, weil heute doch die meisten Bewerbungen per Internet (PDF-Datei) gemacht werden müssen und kein Mensch sich sicher sein kann was da alles mit seinen persönlichen Daten angestellt wird.

     

    Das praxisferne Gelaber irgendwelcher Akademiker kotzt mich wirklich an. Der Sicherheitsaspekt wird auch hier nicht mal ansatzweise erwähnt.

    Anonyme Bewerbungen sind sicherer.

    Das sollte das Hauptargument sein und nicht irgendwelche Diskriminierungen. Dann klappt das auch und jeder "Normaldeutsche" kann das nachvollziehen.

  • EA
    Eser A.

    Natürlich mindern ausländische Namen die Chance bei Bewerbungen. Dafür hält Deutschland vorbildlich alle Menschenrechtsnormen ein. (ironie aus)