Pilotprojekt an der Admiralbrücke: Von Moosen und Menschen
Ein „City-Tree“ mit integriertem „Lärmomat“ sollte in Kreuzberg für weniger Lärm und gute Luft sorgen. Die Ergebnisse sind auch noch etwas luftig.
Dort stand 90 Tage lang eine Box mit gerippter, hölzerner Oberfläche, zwei Bildschirmen und einer Sitzbank drumherum. „City-Tree“ heißt das Ding, genauer: City-Tree-Lärmomat. Denn das Stadtmöbel – das nach seinem Piloteinsatz am Dienstag abgebaut wird – sollte zweierlei: die stickige Sommerluft reinigen und für einen nachbarschaftsverträglichen Geräuschpegel an dem gerade bei TouristInnen beliebten Ort sorgen.
Letzteres durch einen Sensor, der, wenn ein Grenzwert länger als zehn Minuten überschritten wurde, ein rotes LED-Band aufleuchten ließ. Ob die freundlich warnende Botschaft angekommen ist? „Da haben wir noch Fragezeichen“, erklärte Clara Herrmann und schraubte die Erwartungen der Anwesenden herunter: Zwar habe man mit dem Gerät Lärmdaten gesammelt, die müssten aber noch ausgewertet werden. Vor allem aber müsse sich zeigen, ob diesen Sommer tatsächlich weniger Beschwerden beim Ordnungsamt eingingen.
Spannender schien da die zweite (und eigentliche) Funktion des Baum-Substituts zu sein, die City-Tree-Geschäftsführer Peter Sänger erläuterte. Hier kommt die Ratio von 1:80 ins Spiel: Indem das Gerät muffig-warme Großstadtluft ansaugt und sie durch im Innern verborgene, mit feuchtem Moos bewachsene Paneele wieder ausstößt, soll es in Sachen Kühlung einen kleinen Baumhain ersetzen können.
10.000 Euro Miete
Außerdem habe die Box in drei Monaten ganze 76 Gramm Feinstaub eingesammelt, teilte Sänger mit. Klingt wenig, ist aber angesichts der Nanogröße der fiesen Partikel doch eine ganze Menge. Gekostet hat die Miete des City-Trees den Bezirk für die dreimonatige Pilotphase übrigens rund 10.000 Euro.
Unklar bleibt, was es bedeutet, dass laut Bezirksamt „in der Projektzeit die Luft für 584.537 Menschen“ gereinigt worden sei – was „der doppelten Einwohner*innenzahl von Friedrichshain-Kreuzberg“ entspreche. Hätten die sich alle auf das Bänkchen um den City-Tree quetschen müssen, um etwas davon abzubekommen?
Wie sich herausstellte, ist nämlich die Kühlungswirkung (bis zu 4 Grad Celsius) auch nur auf 100 Quadratmetern im direkten Umkreis der Box spürbar. Und bei den rechnerisch 80 Bäumen handelt es sich laut Sänger um Jungbäumchen, nicht etwa ausgewachsene Linden oder Eichen.
Wie bei vielen Pilotprojekten mit innovativem Urban Tech wird es jetzt erst mal wieder recht still darum werden. Aber vielleicht, ganz vielleicht, atmen Sie ja eines Sommers am Landwehrkanal besonders kühle, frische Luft – dann drehen Sie sich mal um: Vielleicht sitzen Sie auf einem Techno-Baum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid