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Piepmatzaffäre, zweiter Aufguß

■ Umweltministerium stoppt Bremer Brief nach Brüssel / Wedemeier streicht in Vogelschutzkarte herum

Das könnte dem flügellahmen Wahlkampf Auftrieb geben: In der Stadt ist ein heftiger politischer Streit entbrannt und zwar um – Vogelschutzgebiete: Das Bundesumweltministerium (BMU) ist der Ansicht, eine pauschale Rücknahme der umstrittenen Anmeldung von Bremer Vogelschutzgebieten könne es nicht geben und hat deshalb vorsichtshalber den entsprechenden Senatsbeschluß nicht nach Brüssel weitergemeldet; der Bürgermeister ist deshalb stinksauer; der Oppositionschef macht Wedemeier für einen „Generalangriff auf das Sanierungsprogramm“ verantwortlich. Und hinter den Kulissen versucht sich der Bürgermeister als Hobby-Ornithologe und malt in einem Entwurf zur Neuanmeldung der Vogelschutzgebiete herum, den die Fachabteilung beim Umweltsenator vorgelegt hat. Motto: Ob da Vögel sind oder nicht, das bestimmt hier immer noch der Chef vom Rathaus.

Der Reihe nach. Mitte April kriegte Bremen einen Brief vom BMU. Inhalt: Der Senat habe zwar beschlossen, die Anmeldung von Vogelschutzgebieten bei der EU pauschal zurückzunehmen, aber das sei nicht möglich. Fachlich begründete Veränderungen ja, pauschale Zurücknahme nein, das sei auch die Meinung der EU-Kommission. Auf diese Kurzformel brachte es der Bonner Beamte. Und deshalb habe er den Senatsbeschluß auch gar nicht erst nach Brüssel weitergemeldet.

Ein Bonner Schreiben – mehr als zwei Monate nach dem Senatsbeschluß, mehr als einen Monat nach der förmlichen Meldung des Senatsbeschlusses in Bonn. Aber gerade recht für den Wahlkampf, würde nun Klaus Wedemeier hinzufügen. Der hat sich nämlich gestern auch öffentlich über das Bonner Schreiben aufgeregt, nachdem sich CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle über die Munition im Wahlkampf gefreut hatte. Die Argumentation ist aus der ersten Runde der Piepmatzaffäre bekannt: Bremens Existenz gefährdet, überall Vögel, aber kein Gewerbe, Wedemeier ein Versager.

Der hielt dagegen: Der Brief sei ein „durchsichtiges wahltaktisches Manöver“ des CDU-geführten BMU. „Unseriös“, polterte der Bürgermeister. Schließlich habe das BMU in der Sache gar nichts zu sagen, sondern die Bremer Briefe kommentarlos nach Brüssel weiterzuleiten. „Eine Briefträgerfunktion, mehr nicht“, kommentierte Wedemeier-Sprecher Klaus Sondergeld. Das habe das BMU auch selbst in einem früheren Schreiben zugegeben. „Wenn es Kritik am Senatsbeschluß gibt, dann wollen wir das schon aus Brüssel hören.“

Das könnte schnell geschehen: Am Tage des Mißtrauensvotums zitierte die taz die Meinung eines entscheidenden Brüsseler Beamten: „Wenn es ein manifester Irrtum ist, daß zum Beispiel ein Gebiet ohne Vögel angemeldet wurde – kein Problem. Wenn es voreilig war, etwa ein Acker mit ein paar Krähen – kein Problem. Wenn allerdings die Vögel dort vorkommen und dann umgemeldet werden soll, dann geht das nicht.“

Ob die Vögel nun da sind, diese Frage sollte geklärt werden, hat der Senat damals beschlossen. Die Naturschutzabteilung beim Umweltsenator ist ausgeschwärmt und hat Vögel gesucht – und gefunden, und zwar in allen Gebieten, die in der umstrittenen Anmeldung aufgeführt sind. 17,5 % der Landesfläche hatte Umweltstaatsrat Lahl damals angemeldet – nun sind es zwei Prozent weniger. Nicht mehr dabei ist in der neuen Vorlage die umstrittene „Pufferzone“, die die Piepmatzaffäre auslöste: Eine Fläche innendeichs für ein unumstrittenes Schutzgebiet außendeichs der Hemelinger Marsch. Diese Pufferzone hatte damals die Hemelinger Marsch tangiert, und die FDP erst auf die Palme und dann zum Bruch der Ampel getrieben.

Sonst kann am ersten Vorschlag aus fachlichen Gesichtspunkten nicht viel geändert werden, finden die FachbeamtInnen. Das allerdings scheint dem Bürgermeister zu mißfallen, wie aus dem Rathaus zu hören ist, „erheblich“ male Wedemeier im Vorschlag der Umwelt-Fachleute herum. Der Senatssprecher aber mag das lieber nicht bestätigen. Ganze Gebiete will der Bürgermeister offensichtlich aus der Anmeldung heraushaben, Vögel hin oder her. Noch ist die Vorlage in der behördeninternen Abstimmung, noch hat Bremen keinen abschließenden Brief nach Brüssel geschrieben. Aber dafür ein neues altes Wahlkampfthema gefunden.

Jochen Grabler

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