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Phorms-Schule vor dem Aus"Wir hätten Tomaten geworfen"

Die Kölner Filiale der Privatschulkette Phorms kämpft ums Überleben. Einige Eltern haben ihre Kinder schon von der Schule genommen, andere zittern. Phorms hüllt sich in Schweigen.

Das finden jedenfalls die Eltern der Phorms-Schüler im Moment. Bild: photocase

KÖLN taz | Klaus Lechner ist mit einem Donnerwetter im Gepäck angereist. Der Manager der Berliner Schulkette Phorms steht vor den versammelten Eltern in Köln und verkündet schlechte Nachrichten: Es wird keine neue erste Klasse geben nach den Sommerferien. Die Anmeldeverfahren - abgeblasen. Wie es mit der Schule weitergeht - offen.

Phorms will sich von seinem Kölner Standort trennen. Bei Elternabenden geht es schnell mal rund, doch so heftig fliegen die Fetzen selten. "Wenn Tomaten da gewesen wären, hätten viele ohne Zögern geworfen", beschreibt ein Vater die Stimmung, die unter den Eltern herrschte, als sie vor sechs Wochen vom Exitus ihrer Schule erfuhren. "Die konnten froh sein, dass sie da lebend rausgekommen sind", sagt eine Mutter.

Nun auch Köln. Für Hannover konnte Phorms kürzlich einen neuen Schulträger finden (taz berichtete), in Köln hängen Schüler und Eltern dagegen im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft - Phorms verweist auf vertrauliche Gespräche. An der Schule herrscht Verzweiflung.

Kölner Schulkampf

In Köln kämpfen die Eltern der Phorms-Privatschule ums Überleben ihrer Einrichtung. Die Phorms-Zentrale in Berlin hat entschieden, den Standort nicht weiterzuführen - weil unter den Verhältnissen in Nordrhein-Westfalen die Schule nicht tragfähig sei. Denn die Zulassung für Lehrer ist in NRW restriktiv. Und Schulgeld darf formell nicht erhoben werden. Interessant ist, dass in der Kölner Phorms-Schule eine relative ausgewogene soziale Mischung für eine Privatschule herrscht - was nun aber zum Fluch wird. Die reichen Eltern gehen, die anderen suchen verzweifelt nach einem Ausweg für ihre Kinder.

Dabei klangen die Versprechen einst so verheißungsvoll. Als Phorms vor vier Jahren antrat, sorgte das Unternehmen für reichlich Wirbel in der Bildungslandschaft. Als erster Schulbetreiber wollte Phorms mit Unterricht Rendite erwirtschaften. Grundschulen als Markenprodukt, Klassen als Cash-Cow - bis dato undenkbar in Deutschland. Mit kleinen Lerngruppen, englischsprachigen Pädagogen und interaktiven Smartboard statt Schiefertafel umwarb Phorms die bildungsbewusste Mittelschicht. In Berlin, München, Frankfurt, Hannover, Hamburg und Köln schossen Grundschulen aus dem Boden. Phorms fühlte sich wie ein großer Konzern, schuf in kurzer Zeit ein ganzes Geflecht an Tochtergesellschaften, die zur Finanzierung mit Schulden überladen wurden. Sogar für die Expansion nach Afrika gab es eine eigene GmbH.

Jetzt strauchelt das Geschäftsmodell Grundschule. Und Köln trifft es besonders hart.

Pannen gab es hier schon länger. Im vergangenen Jahr wollte Phorms seiner Grundschule ein Gymnasium zur Seite stellen. Der Schulkonzern heuerte Pädagogen an, rekrutierte Muttersprachler aus dem Ausland. Im Sommer startete das Gymnasium - mit vorläufiger Genehmigung. Dann, nach gerade mal zwei Wochen, macht das Land die Schule wieder dicht. Die Begründung: Phorms sei die Nachweise über die Qualifikation der Lehrkräfte schuldig geblieben. Die Eltern von 16 Fünftklässlern mussten eilig eine neue Schule für ihre Kinder finden, und für Phorms waren mit einem Schlag 80.000 Euro Investition futsch.

Die Schul-AG und die Aufsichtsbehörden weisen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. "Wir können unser Unterrichtskonzept nicht beibehalten, wenn das Land nur Lehrer akzeptiert, die ein deutsches Referendariat gemacht haben", sagt Aufsichtsratsvorsitzender Lechner. Ein Sprecher der Bezirksregierung hält dagegen: Die Hürden seien "nicht unerreichbar hoch gewesen" - sonst hätte das Land das Gymnasium ja gar nicht erst starten lassen.

Ein Gymnasium nach zwei Wochen wieder schließen zu müssen, das ist ein PR-Desaster für einen Schulbetreiber - und vor allem ein verheerendes Signal an eine so sensible Klientel .

Die Gymnasiumspleite und der Imageschaden trafen Phorms in einer ohnehin schwierigen Situation. Bislang konnten sich die Schulen des Konzerns nicht selbst tragen. Die Phorms AG hat ihnen daher am Anfang einen Gründungskredit gegeben, den sie an die Muttergesellschaft zurückzahlen sollen - sobald die Klassen voll, die Elternbeiträge und die öffentlichen Zuschüsse hoch genug sind. Die meisten Bundesländer sind nämlich zögerlich und geben privaten Schulträgern erst einige Jahre nach dem Start Geld dazu.

In NRW ist die Situation dabei einerseits sogar günstiger für Phorms, andererseits schwieriger. Das Land unterstützt Privatschulen von Anfang an, so dass es in der Regel keine lange Durststrecken gibt. Rund 4.000 Euro pro Jahr und pro Schüler erhält Phorms in Köln, knapp eine halbe Million insgesamt. Dafür dürfen in NRW offiziell keine Schulgebühren genommen werden. Nur über den Umweg eines Fördervereins mit freiwilligen Beiträgen können die Eltern zur Kasse gebeten werden - was laut Phorms zwar ein Risiko ist, aber an sich funktioniert hat. Im letzten ausgewiesenen Geschäftsjahr ist die Bilanz dennoch deutlich im Minus: Rund 1,5 Millionen Euro Schulden hatte die Kölner Schule Mitte 2008 bei der Phorms-Muttergesellschaft.

In der Berliner Zentrale war man optimistisch davon ausgegangen, dass die Standorte schneller anlaufen. "Wir hatten damit gerechnet, dass sich die Schulen nach vier bis sechs Jahren von selber tragen und keine weiteren Darlehen brauchen", sagt Aufsichtsratschef Lechner. Inzwischen geht Phorms davon aus, dass es wohl 12 bis 15 Jahre dauern kann, bis die Schulen ihre Darlehen zurückzahlen.

Und dann kam da noch die Finanzkrise. Wie für viele Unternehmen wurde es auch für Phorms schwieriger, bei Banken Kredite zu bekommen, um den defizitären Schulen weiter zuzuschießen. Im vergangenen November beschloss Phorms daher, neue Aktien auszugeben und so an frisches Kapital zu kommen. Die Boehringer-Familie stockte ihren Anteil auf, 8 Millionen Euro pumpte die Familie hinter dem Ingelheimer Pharmakonzern in die strauchelnde Schulkette. Phorms lobt Boehringer als nachhaltigen Investor, dem es nicht ums schnelle Geschäft geht. Eltern in Köln vermuten, dass hinter der radikalen Kehrtwende von Phorms auch die Pharma-Familie steckt.

Das Misstrauen ist groß. Die ersten Eltern haben der Schule bereits den Rücken gekehrt nach der Ankündigung, dass Phorms den Standort aufgeben und keine erste Klasse mehr bilden will. Lechner spricht bisher von circa 25 Abmeldungen - ein Aderlass bei einer Schule mit 129 Schülern. Die Angst geht um, dass die Schule abgewickelt wird, teuer bezahltes Schulgeld irgendwo in einem Insolvenzverfahren verschwinden könnte. Auch in den Klassenzimmern wird es unruhig: In einer Klasse sollen die Schüler morgens im Stuhlkreis einer nach dem anderen ausgefragt worden sein, ob ihre Eltern mit Wechselgedanken spielen.

Die, die es sich leisten können, schicken ihr Kind auf die Kölner Friedensschule, eine Privatschule mit vergleichbarem Konzept - aber teils höheren Schulgebühren. Der Spitzensatz liegt dort bei 1.200 Euro. Wer dafür kein Geld ausgeben kann oder will, hat es schwerer.

"Das Gute an Phorms war die soziale Mischung", sagt hingegen eine Mutter, die die Gebühren für die Friedensschule nicht so einfach berappen könnte. In den vergangenen Wochen hat sie darum verzweifelt nach einer städtischen Schule gesucht - auch wenn es dort eben nicht immer bilingual weitergeht. "Die Kinder müssten wieder völlig von vorne anfangen. Der gute Schulstart bei Phorms geht komplett verloren."

Von Schule zu Schule ist die Mutter gehetzt, aber die Anmeldefristen waren verstrichen. "Ich habe elf Schulen abgeklappert", sagt die Mutter. "Aber die sind jetzt alle voll."

Es könnte ein Teufelskreis werden: Wenn vor allem die Top-Zahler Phorms verlassen, droht das Finanzierungsmodell weiter ins Rutschen zu kommen - was wiederum den Trägerwechsel umso schwieriger machen dürfte. Mit buchhalterischer Gründlichkeit will Lechner darum nachgerechnet haben: Seiner Information nach sei durch die Abgänge das Schulgeld, das die Eltern durchschnittlich zahlen, nur um etwa zwei Prozent gesunken. "Es gibt tatsächlich einen leichten Trend nach unten", sagt Lechner. Einen Grund zur Beunruhigung sieht er darin nicht. Noch nicht.

Um den Exodus zu stoppen, haben Phorms-Eltern vor den Osterferien sogar selbst eine Initiative gegründet, um den Standort in Eigenregie zu übernehmen. Wenn Phorms die Schule schuldenfrei übergibt und die Schule unter einem anderen Namen wieder mehr Erstklässler gewinnt, kann es klappen, glauben die Eltern. Voraussetzung aber ist: Die Bestzahler müssten bleiben. Doch die Zeit drängt, die Elterninitiative setzt ein Ultimatum: Noch vor Ende April soll die Übergabe an die Eltern in trockenen Tüchern sein. Dann nämlich endet die Frist, zu der die Eltern die Schulverträge kündigen können.

In den Tagen vor den Osterferien mailen sich Phorms-Chef Lechner und die Vertreter der Elterninitiative beinahe täglich. Lechner lobt das Engagement der Eltern, zweifelt aber an der "nachhaltigen Tragfähigkeit" des Konzepts.

"Wenn wir nicht sicher wären, würden wir nicht unsere Zeit in dieses Projekt investieren", schreibt Elternvertreter Norbert Berger empört zurück. Die Elterninitiative packt ein.

Stattdessen spricht Phorms plötzlich von einem "etablierten Schulbetreiber", mit dem man über die Übernahme verhandle. Diesen wolle man nicht mit engen Fristen verschrecken. Einen Namen nennt Lechner nicht.

Das Rätselraten beginnt, wer dieser "etablierte Schulbetreiber" sein könnte. Gerüchte machen die Runde; manche vermuten sogar, dass es den verborgenen Interessenten in Wirklichkeit gar nicht gibt. Statt mit Informationen entlässt Schulleiter Wolfgang Pfälzner die Kölner Eltern mit einer Art Besinnungsmail in die Osterfeiertage: "So wie eine Auferstehung nicht ohne den Schmerz des Karfreitags denkbar ist, so ist eine gesicherte Zukunft der Phorms Schule Köln nicht ohne die Verunsicherungen der momentanen Lage denkbar."

Unterdessen werden die Verhandlungen im Verborgenen offenbar langsam konkret. Während der Schulferien reist Phorms-Manager Lechner nach Köln. Businesspläne werden aufgestellt, Rechtsanwälte und Steuerberater sitzen mit am Tisch. Lechner gibt sich guter Dinge: "Es handelt sich um einen sehr akzeptierten und renommierten Schulbetreiber." Und um einen, der größte Verschwiegenheit wünscht. Selbst bei Phorms ist angeblich nur ein kleiner Personenkreis in die Gespräche eingeweiht.

Diese Woche hat die Schule wieder begonnen. Verschwiegenheit herrscht noch immer. Die Kündigungsfrist für die Schulverträge rückt näher. "Wenn nicht bald klar ist, wie es weitergeht", sagt Elternvertreter Norbert Berger, "werden noch mehr gehen."

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • FN
    Floda Nashir

    Zu Schnöseln macht die Eltern ja auch nicht die Bereitschaft, für die Ausbildung ihrer Kinder Geld zu bezahlen, sondern die Entscheidung, ihre Kinder in einer abgesonderten kleinen Gruppe unterrichten zu lassen.

  • M
    MvD

    Zitat:

    "Höchstens um die Kinder, die ja nichts für ihre schnöseligen Eltern können"

     

    ich selbst besuchte einst eine privatschule und das - man stelle es sich vor - ohne schnöselige eltern

     

    unter anderem kann man aus dem beitrag herauslesen, dass die "schnösel", dem anschein nach, eine andere privatschule in köln besuchen.

     

    dass Eltern bereit sind für die Bildung ihrer Kinder zu zahlen, hat nichts mit elitenbildung oder ähnlichem zu tun, sie wünschen sich einfach eine sehr gute schulbildung für ihr kind und scheinen aus gegebenen anlässen der staatlichen bildung nicht mehr zu vertrauen.

     

    sollte es in diesem land bildungstechnisch nicht bald aufwärts gehen, werden meine künftigen kinder sicherlich ebenfalls eine private schule besuchen und wenn ich dafür 3 jobs aufnehmen muss - schnösel hin schnösel her

  • C
    claudia

    So ist das mit Privatfirmen: Kommt zu wenig Profit rein, wird der Laden dicht gemacht.

     

    Vielleicht können die Prvatisierungseuphoristen was draus lernen?

  • FN
    Floda Nashir

    Woran liegt das nur, dass mir das überhaupt nicht leid tut? (Höchstens um die Kinder, die ja nichts für ihre schnöseligen Eltern können?)

  • S
    Schulz

    Wie ist es mit Berliner Lehrern?

    Denen soll es doch soooooooooooooooo

    schleeeeeeeeeeeeeeeecht gehen!?

    Koeln und Berlin sind doch aehnlich.

     

    Ich kann auch unterrichten,

    wirklich,

    bin besser als viele Lehrer zusammen!

     

    Denen sind die Kinder egal,

    der Lehrstoff noch egaler...

    und dann brauchen die Lehrer garnicht arbeiten,

    nur wenn sie wollen und koennen sich aussuchen,

    was sie machen wollen... die Lehrer.

    Das ist deutsche Unterrichtshemmschwelle.

    Die Kinder wissen garnicht,

    was sie noch zuhause machen sollen,

    alles alleine nacharbeiten,

    was der Lehrer nicht brachte, nicht wollte,

    nicht konnte... ?