Philipp Rösler zu erneuerbarer Energie: „Die Kosten in den Griff kriegen“
Strom muss bezahlbar bleiben. Sonst akzeptieren die Bürger die Energiewende nicht, glaubt Wirtschaftsminister Philipp Rösler.
taz: Herr Rösler, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, sich auf Ihr Hausdach eine Solaranlage zu bauen?
Philipp Rösler: Nein, bisher nicht.
Warum nicht?
Bislang ist die Fotovoltaikförderung bei uns ein Geschäft zulasten der Allgemeinheit. Gerade Geringverdiener können sich eine Installation oft nicht leisten, müssen aber die Milliardensubventionen mit der eigenen Stromrechnung zahlen. Das ist alles andere als gerecht. Wir müssen darauf achten, dass Energie für alle bezahlbar bleibt.
Am 15. Oktober ist Showdown in Sachen Energiepolitik. Dann soll bekannt gegeben werden, um wie viel die EEG-Umlage steigt. Wahrscheinlich gib es Anfang 2013 einen Aufschlag um 50 Prozent. Wird Strom zum Luxusgut?
Es ist zu befürchten, dass es deutlich mehr wird als die 3,59 Cent pro Kilowattstunde, die wir jetzt haben. Das ist doch der beste Beweis dafür, dass wir die Förderung erneuerbarer Energien umbauen müssen. Sie sind der Hauptkostentreiber. Um das zu ändern, ist das beste System ein marktwirtschaftliches und nicht die Planwirtschaft, die wir heute haben.
Der 39-jährige Mediziner ist seit Mai 2011 Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Bundesvorsitzender der FDP und deutscher Vizekanzler. Von 2009 bis 2011 war er Gesundheitsminister im Kabinett Merkel. Der Niedersachse ist verheiratet und Vater von Zwillingstöchtern.
In der letzten Dekade haben sich die Kosten für fossile Brennstoffe teilweise verdoppelt. Erneuerbaren Energien werden ständig billiger, sollte da ein Wirtschaftsminister nicht so schnell wie möglich umstellen?
Das ist grundsätzlich richtig. Deshalb wollen wir ja auch den Ausbau der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent unseres Stromverbrauchs bis zum Jahr 2020. Das Problem ist, dass die Kostensenkung bei Solar- oder Windstrom nicht bei den Verbrauchern landet. Sie haben nichts von mehr Effizienz, mehr Innovationen und den Skalierungseffekten, wenn mehr Anlagen zu niedrigeren Preisen an der Strombörse führen
Das Gesetz: Seit April 2000 gibt es das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Es garantiert den Erzeugern von erneuerbaren Energien feste Vergütungen, wenn sie ihren Strom ins Netz einspeisen.
Das Geld: Am 15. Oktober wird die Höhe der Umlage für das Jahr 2013 bekannt gegeben. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) rechnete zuletzt mit einem Anstieg von derzeit knapp 3,6 Cent auf 5,2 Cent pro Kilowattstunde.
Das Dilemma: Je günstiger die Erneuerbaren den Strom machen, desto teurer erscheinen sie, weil die EEG-Umlage steigt. Denn den Erzeugern ist die Vergütung garantiert. Wenn aber der Börsenpreis durch das große Angebot von Ökostrom sinkt, steigt umgekehrt der Zuschuss. Das soll der FDP-Vorschlag ändern.
Das FDP-Modell: Die Liberalen wollen langfristig ein „europaweites Mengensystem“. Statt einer Förderung nach Kilowattstunden sollen die Versorger verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien zu verkaufen. Kurzfristig soll es laut dem Vorschlag nur noch einen festen Zuschlag auf den Marktpreis geben. Genau diese Integration in den bestehenden Strommarkt ist es, die auf Kritik stößt. „Dieser Ansatz würde einzig und allein dazu führen, dass erneuerbare Energien die gleichen Finanzierungsprobleme bekommen, wie konventionelle Kraftwerke“, sagt BEE-Präsident Dietmar Schütz. (taz)
Sinkende Preise an der Strombörse treiben vielmehr die Förderkosten für erneuerbare Energien zusätzlich in die Höhe. Hier wollen wir mit unserem Modell gegensteuern. Wir wollen die Erneuerbaren ausbauen, aber ausdrücklich nicht auf der Grundlage des überholten EEG-Systems.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist nicht so teuer, wie Sie immer behaupten. Die privaten Verbraucher finanzieren damit günstigeren Strom für Teile der Industrie. Ist das die ehrliche Energiewende, die sie versprochen haben?
Richtig ist, dass es diese Kompensation für die energieintensive Industrie gibt. Sie machte im vergangenen Jahr rund 0,6 Cent pro Kilowattstunde aus, ein Sechstel der EEG-Umlage 2011. Ohne diese Ausnahmen droht der Verlust von vielen Arbeitsplätzen. Das ist mit mir nicht zu machen.
Die Solarindustrie ist entsetzt über Ihr Mengenmodell, fürchtet einen Markteinbruch und sagt, man zerstöre sie, kurz bevor sie konkurrenzfähig werde.
Seit Jahren heißt es, Solarstrom werde bald konkurrenzfähig. Dabei sind die Schwierigkeiten für Fotovoltaik in Deutschland doch naturgegeben. Wir haben zwar die höchste Dichte an Solarstromanlagen weltweit, aber weit weniger Sonnenstunden als unsere europäischen Partner im Süden. Deshalb trägt Solarstrom auch nur einem äußerst geringen Teil zur gesamten Stromproduktion bei. All die Fehlsteuerungen, die eine Planwirtschaft mit sich bringt, sind im Bereich der Fotovoltaik eingetroffen. Deshalb hat unsere heimische Solarindustrie in der Vergangenheit Marktanteil um Marktanteil verloren, vor allem an die asiatische Konkurrenz.
Haben Sie die deutsche Solarindustrie bereits aufgegeben?
Nein. Aber eines ist klar: Der Innovationsdruck wird zunehmen. Unternehmen wie Bosch Solar sagen: Wir wollen ein System, das Innovationen fördert, dann haben wir auch wieder international eine Chance. Wenn hingegen eine Industrie von Markt und Wettbewerb ausgeschlossen ist, dann wird sie träge.
Bundesumweltminister Peter Altmaier sagt, in dieser Legislatur werde sich am EEG sowieso nichts mehr ändern. Und in der nächsten, na ja, da regieren sie wahrscheinlich sowieso nicht mehr zusammen.
Diese Koalition hat alle Chancen, wiedergewählt zu werden. Und warum so zaghaft mit Reformen? Am 15. Oktober wird mit der Festlegung der neuen EEG-Umlage die Diskussion über die Strompreise neuen Schwung erhalten. Wir haben ein Modell vorgelegt, mit dem wir die Kosten in den Griff bekommen. Kurzfristig brauchen wir eine Strompreisbremse und wollen die Stromsteuer senken. Einer solchen Diskussion wird sich die Union nicht verweigern können. Wenn wir die Kosten nicht in den Griff bekommen, dann wird die Akzeptanz der Energiewende schwinden. Das kann keiner wollen.
Wollen Sie den Ausbau von Windkraft und Solar zunächst auf Eis legen, wie es die FDP-Bundestagsfraktion vorgeschlagen hat?
Das Präsidium meiner Partei hat einen klaren Beschluss gefasst: Wir wollen alle weiterhin den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auf einer wirtschaftlich vernünftigen Grundlage.
Der Staat greift auch in anderen Wirtschaftszweigen in die Preisbildung ein, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Warum verwenden sie ausgerechnet beim EEG den ideologisch aufgeladenen Begriff Planwirtschaft?
Weil das EEG nicht ein kleiner Eingriff in die Preisbildung ist, sondern ein Diktat. In welchen Branchen gibt es denn sonst nahezu 100 Prozent staatliche Vergütung? Als wir vor einigen Monaten erste Anpassungen vorgenommen haben, war der Unmut enorm. Das ist absurd. Auch die taz muss sich doch am freien Markt behaupten.
Ihr Modell schreibt Unternehmen über die Menge vor, wie viel Prozent ihres Stromes aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Wo ist da der Markt?
Noch mal: Ich will eine Förderung der Erneuerbaren. Aber ich will nicht, dass der Staat die Preise für einzelne Energieformen festlegt. Wir wollen die Menge langsam steigern und so einen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Wie einzelne Unternehmen den Anteil erreichen, ob mit Offshorewind oder wie auch immer, das sollte jeder für sich frei im Markt entscheiden.
Sie wollen die Industrie zwingen, fossile Kraftwerke als Reserve für den Winter betriebsbereit zu halten. Sieht so eine Marktlösung aus?
Momentan werden fossile Kraftwerke im Betrieb teurer, weil sie immer weniger ausgelastet sind. Also legen die Stromversorger manches Kraftwerk still. Das ist eine Fehlsteuerung der momentanen Förderpolitik: Erneuerbare Energien dürfen immer als Erste ins Netz einspeist werden und erhalten stets die gleiche Vergütung. Egal, ob der Strom gebraucht wird oder nicht. Die sichere Versorgung mit Strom ist gerade an einem Industriestandort wie Deutschland das A und O. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Lichter ausgehen. Ob es uns passt oder nicht: Hier müssen wir handeln und Reservekraftwerke betriebsbereit halten.
Ihr Kabinettskollege Altmaier schlägt vor, den Bürgern eine finanzielle Beteiligung am Netzausbau zu ermöglichen, mit einer Rendite von 5 Prozent. Was halten Sie davon?
Der Vorschlag wird bereits seit Langem diskutiert. Bei einigen sogenannten Bürgerwindparks hat das zu einem enormen Akzeptanzschub geführt. Besonders spannend ist eine Beteiligung an den kleineren Verteilnetzen, wie sie für dezentrale, regenerative Energien benötigt werden. Wir müssen Aufwand und Nutzen genau prüfen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es auf dieser Ebene auch Bürgernetze geben wird.
Wird es auch eine Solaranlage auf Ihrem Dach geben, wenn sie ohne Förderung bezahlbar ist?
Wir setzen zu Hause auf mehr Energieeffizienz. In der Nähe von Hannover haben wir ein schon älteres Haus gekauft und es inklusive Dach gedämmt. Ich bin ein großer Anhänger von Energieeffizienz. Was nicht verbraucht wird, muss auch nicht erzeugt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands