■ Medienschau: Pharao Erbakan
In deutschen Medien wird zwar oft über islamische Tendenzen in der Türkei berichtet, genauso oft zeichnen sich diese jedoch durch Verallgemeinerung und Unvollständigkeit aus. Zum einen sucht man fälschlicherweise den Vergleich zum Iran, zum anderen übersieht man gerne die oft divergierenden Ansichten innerhalb des islamistischen Lagers und die offene Kritik an die Adresse Ministerpräsident Erbakan und seiner Politik. Die nationalliberale Hürriyet (Frankfurt) druckte einen Bericht ab, indem der islamistische Schriftsteller Isamel Nacar Ministerpräsident Erbakan scharf kritisierte. Erbakan war vor längerer Zeit im Fernsehen zu sehen, als er sich durch seine Bodyguards vor einem Gebet die Füße waschen ließ. Der Generalsekretär der Refah-Partei gibt zu verstehen, daß die Leibwächter des Ministerpräsidenten bei der religiösen Waschung lediglich Handtuch und die Wasserkanne hielten. Nacar verurteilt dagegen dieses Benehmen als unislamisch, zudem habe sich der Ministerpräsident vor laufender Kamera eindeutig die Füße waschen und trocknen lassen. Dies sei eine unislamische Tradition und würde vielleicht zum römischen Kaiser oder ägyptischen Pharao passen. Selbst einem behinderten oder kranken Muslim ist solch Verhalten verboten. Lediglich bei einem bettlägrigen Kranken könne die Waschung von einem Kind oder einem Krankenpfleger durchgeführt werden. 15. 4. 97
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen