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Phantomprogramm Armutsbekämpfung

■ Freie Beschäftigungsträger sauer: Sozialhilfe statt Tariflohn?

„Hier werden Prinzipien zelebriert statt Armut bekämpft“, faßt Ulrich Dressler vom Diakonischen Werk die Behördenpläne zum Sozialhaushalt 1996 zusammen. Denn es wird wohl auch im nächsten Jahr keinen „Tariflohn statt Sozialhilfe“ (BSHG-Stellen) bei freien Trägern geben (taz berichtete).

„Was nützt das schönste Armutsbekämpfungsprogramm für soziale Brennpunkte ohne die entsprechenden Stellen für SozialhilfeempfängerInnen?“ fragt Arno Siebert vom Barmbeker Träger „Mook Wat“. Den Ausbau des Arbeitsladens und die Pläne für ein Second-Hand-Kaufhaus im Brennpunkt Dulsberg können erst mal auf Eis gelegt werden. Ohne zusätzliche BSHG-Stellen „wird die Erweiterung hinfällig“, so Siebert. Die höchstsenatliche Armutsbekämpfung und die Benennung von „Pilotstadtteilen“ seien „ein Phantomprogramm“.

Das Beharren aufs zentralistische staatliche BSHG-Monopol ist vor allem eine Ohrfeige ins Gesicht der überproportional von Armut betroffenen Frauen. „Das Interesse der staatlichen Träger an Selbsterhalt ist größer als das Interesse an den Frauen“, wütet Petra Lafferentz, Geschäftsführerin des Steilshooper Stadtteil-Café „SAUF“. Die Pläne, eine Kantine für das Bildungszentrum in der Betonstadt zu betreiben und 15 alleinerziehenden und langzeitarbeitslosen Müttern Beschäftigung zu beschaffen, sind damit gefährdet. Zwei Stellen werden 1996 wohl nur für „SAUF“ abfallen, genau wie in diesem Jahr. „Ich könnte vor Wut in den Tisch beißen, daß nach 4 Jahren engagiertem Kampf für BSHG-Stellen nur zwei Plätze zur Verfügung stehen“, so Lafferentz. Zugleich kündigt sie massive Proteste auch von Seiten des Bildungszentrums an.

Das zentrale Problem aller freien Beschäftigungsträger: Sie bekommen fast nur ABM-Stellen, obwohl ein Großteil ihres Klientels überhaupt keine Ansprüche beim Arbeitsamt geltend machen kann. „Die Hamburger Armutsbekämpfung ist ein Armutszeugnis“, beklagt Gaby Gottwald, Geschäftsführerin der Koordination Wandsbeker Beschäftigungsprojekte (KWB), die mangelnde Anbindung an die stadtteilnahe Arbeit. Mit dem Warten auf die BSHG-Stellen habe man schon im vorigen Jahr eine „Hängepartie“ durchlebt.

Jetzt ist Druck angesagt: Die AG Zündstoff – ein Zusammenschluß der freien Beschäftigungsträger – will sich kein zweites Mal „mit Peanuts“ abservieren lassen. sim

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