Pfleger-Konferenz: Die Helfer, die Hilfe brauchen
Bei einer bundesweiten Konferenz in Berlin klagen die Assistenzpfleger ihr Leid: Sie ermöglichen vielen Kranken und Behinderten ein selbstbestimmtes Leben und nagen doch oft am Hungertuch.
"McPflege - nein Danke!" steht auf den Plakaten, die im Betriebsratsbüro der Ambulanten Dienste e. V. an der Wand hängen. Ein passendes Motto: Betriebsräte und Interessenvertreter von Beschäftigten des Pflege- und Assistenzbereichs berichteten dort am Montag über die Ergebnisse einer Konferenz, zu der sich am vergangenen Wochenende Beschäftigte aus dem ganzen Bundesgebiet in Berlin getroffen hatten. Über 30 Teilnehmer vertraten rund 2.000 Beschäftige einer besonderen Sparte im Pflegebereich.
Selbstbestimmtes Leben
Ihre Wurzeln hat die Assistenzpflege in der Behinderten- und Krüppelbewegung der 80er-Jahre. Ziel war es, den Assistenznehmern bezeichneten Menschen ein selbstbestimmtes Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen zu ermöglichen. Statt in Heimen sollten die Betroffenen möglichst in einer selbst gewählten Umgebung leben. Die Pflege erstreckt sich sowohl auf die Unterstützung im Haushalt als auch auf die Begleitung zu den von der Pflegeperson gewünschten Aktivitäten.
Aber schon seit Jahren klagen Beschäftige in diesem Bereich über sich verschlechternde Arbeitsbedingungen. Vertreter aus mehreren Städten erklärten am Montag, viele Pflegeassistenten hielten sich mit gleich mehreren Jobs im Pflegebereich über Wasser. Andere bekämen als Aufstockung Bezüge nach ALG II. Es wäre schon ein Erfolg, wenn die Löhne so weit erhöht würden, dass die inflationsbedingten Preissteigerungen ausgeglichen werden, sagte ein Hamburger Delegierter.
Kein Wunder also, dass Lohnerhöhungen zur zentralen Forderung einer auf der Konferenz verabschiedeten Resolution gehören. Die Schaffung und formale Anerkennung des Berufsbildes der formalen Assistenz findet sich ebenso in dem Forderungskatalog wie ein stärkeres gewerkschaftliches Engagement innerhalb der Behindertenassistenz.
Mehr Gewerkschaft
Diese beiden Forderungen hängen eng zusammen, wie die Personalvertreter erläuterten. Weil ihr Berufsbild bisher noch nicht rechtlich geschützt ist, würden sich die im DGB für diesen Bereich zuständigen Gewerkschaften GEW und Ver.di noch sehr bei der Vertretung dieser Berufsgruppe zurückhalten, berichteten Assistenzpflegekräfte aus Hamburg, Frankfurt/Main und Berlin.
Nach der Konferenz soll die Vernetzung vor Ort weitergehen: In Zukunft sind auch Arbeitskämpfe nicht auszuschließen. Das Vorbild ist der Konflikt bei Ambulante Dienste e. V. (AD), einem Berliner Unternehmen mit 550 Beschäftigten. Nachdem Verhandlungen um Lohnerhöhungen gescheitert waren, besetzten Beschäftigte mit Unterstützung von Assistenznehmern für einige Stunden das AD-Büro. Diese Aktion wurde bundesweit bei den Beschäftigten im Assistenzbereich als Ermutigung aufgefasst und hat schließlich auch dazu beigetragen, dass die Konferenz zustande kam, berichtete einer der Mitorganisatoren.
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