Pflege: Wie gut ist Mutters Pflegeheim?
Bisher werden die Prüfberichte über die Zustände in Pflegeheimen nicht veröffentlicht. Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz von Heimbetreibern.
"Und dann stehen wir dort vor der Tür" - unangemeldete Besuche gehören für Martina Wilcke-Kros zum Berufsalltag. Im Auftrage des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) prüft sie in Berlin und Brandenburg, ob die Bewohner in Heimen ordentlich gepflegt und versorgt werden. 120 Besuche macht sie pro Jahr, die Hälfte davon aufgrund von Beschwerden. "Die Anrufer sind oft Bewohner, die sich etwa darüber beklagen, dass sie zu selten auf die Toilette geführt werden oder zu lange auf Hilfe warten mussten." Wilcke-Kros macht sich dann mit einem Team auf den Weg in das betreffende Heim. Jede zweite Klage erweist sich als berechtigt.
Aber wie können zukünftige Heimbewohner und Angehörige wissen, wie die Qualität ihres anvisierten Wohnorts ist? Bisher gar nicht. Denn die Prüfberichte des MDK sind geheim. Das soll sich nun ändern: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, die Medizinischen Dienste, Heimträger und Bewohnerverbände forderten gestern gemeinsam, dass die Qualität der Heime offengelegt wird. "Was bei Waschmitteln selbstverständlich ist, sollte auch in der Pflege gelten", bekräftigte Peter Pick vom Spitzenverband der Medizinischen Dienste. Dass sich nämlich die Bürger über die Güte der Heime informieren und sie miteinander vergleichen können.
Bundesweit besuchen die Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen jedes Jahr 4.500 der insgesamt 9.000 Pflegeheime. In jedem zehnten Heim stellen sie gravierende Missstände fest. Die alten Menschen haben etwa offene Wunden vom Liegen, sind unternährt oder leiden unter Flüssigkeitsmangel. Laut Gesetz dürfen bisher aber nur die Heime selbst und die Pflegekassen die Berichte des MDK und der Heimaufsicht über solch problematische Zustände lesen. In Zukunft würden die Medizinischen Dienste all ihre Prüfberichte veröffentlichen. "Und zwar so, dass sie für Normalverbraucher verständlich sind." Man wolle vor allem berichten, was die Heime tun, um Wundgeschwüre zu vermeiden oder die ausgewogene Ernährung ihrer Gäste sicherzustellen.
Mit dieser Forderung wollen die Verbände der Politik auf die Sprünge helfen. SPD und Union haben im Juni in den Eckpunkten zur Reform der Pflegeversicherung vereinbart, dass "die Prüfberichte künftig in verständlicher Sprache aufbereitet und veröffentlicht" werden. Wann die Berichte tatsächlich zu lesen sein werden, hängt davon ab, wie schnell sich beide Seiten auf ein Gesetz einigen können.
Dieter Lang vom Bundesverband der Verbraucherzentralen will noch mehr als die Politik. Verbände sollten auch das Recht erhalten, die Originalberichte des Medizinischen Dienstes und die Berichte der Heimaufsicht zu studieren. So könnten die Versicherten auch erfahren, welche Auflagen die Heime erhielten, denen schlechte Pflege attestiert wurde, und wie diese kontrolliert würden. Er könne sich sogar eine Mitsprache der Verbände bei der Haushaltsplanung vorstellen "Nur so kann kontrolliert werden, wie mit dem Geld der Versicherten umgegangen wird."
Die Heimbetreiber sehen die Transparenzoffensive mit gemischten Gefühlen. Die kommunalen Kliniken haben sich hinter den Vorschlag von Verbraucherzentralen und Heimbewohnerlobby gestellt. Werner Ballhausen dagegen, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, ist skeptisch: "Wir unterstützen grundsätzlich Transparenz, aber nicht aufgrund der dürren Kriterien des Medizinischen Dienstes." Sein Verband wehre sich dagegen, dass der MDK als Anhängsel der Pflegekassen bestimme, was gute Pflege sei. "Qualität kann nicht in Heime hineingeprüft werden."
Doch freiwillig gewähren nur wenige Heime Einblick in ihre Pflegequalität. Als erster Betreiber publizierte die Sozial-Holding Mönchengladbach vor einem Jahr ihre Qualitätsberichte. Ihr Geschäftsführer Helmut Wallrafen-Dreisow wirbt massiv für zusätzliche Informationen: "Nur Offenheit hilft gegen schwarze Schafe."
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