Pferdeschinder im Leistungssport: Rosskur mit Nebenwirkung
Ein sterbendes Pferd im Parcours ist grässlich, kann aber mal vorkommen. Schlimmer ist die alltägliche Quälerei im Leistungssport mit Pferden.
Das Video, auf YouTube zu besichtigen, ist scheußlich: Das Weltklassespringpferd Hickstead geht im Schritt durch den Parcours in Verona, über dessen Hindernisse er gerade gesprungen ist. Es bleibt stehen, torkelt, der Reiter springt ab, das Pferd fällt um, schlägt ein paar Mal mit den Hinterbeinen aus und bleibt liegen.
Gestorben ist der 15-jährige Hengst wohl an einem Aorta-Abriss. Unter der Wirbelsäule des Pferdes verläuft eine mächtige Ader, so dick wie in Kinderarm. Reißt sie, verblutet das Tier innerhalb von Sekunden.
Hickstead war derzeit das beste Springpferd der Welt, es hatte seinen Reiter Eric Lamaze zum Olympiasieg getragen, zu Siegen auf großen Turnieren wie dem Chio in Aachen. Der Chefveterinär des Weltreiterverbands FEI, Graeme Cooke, kündigte wegen des "ungewöhnlichen Vorfalls" weitere Untersuchungen an.
Hat der Kanadier Lamaze sein Pferd gedopt, unter Medikamente gesetzt, überanstrengt, ist es deshalb gestorben? "Glaube ich nicht", sagt der Pferdetierarzt und Reiter Gerd Heuschmann.
Mit diesem erfolgreichen Pferd habe Lamaze so im Rampenlicht gestanden, da wäre Doping kaum möglich gewesen. Eberhard Schüle, Vorsitzender des Fachausschusses Pferde in der Bundestierärztekammer und Vorsitzender der Gesellschaft für Pferdemedizin, ist mit Wertungen vorsichtig. Aber so viel scheint ihm sicher: Der Tod von Hickstead ist ein spektakulärer Einzelfall.
Mittel und Methoden: Kritiker der Reitsportszene beklagen, dass Spring- und Dressurpferde immer mehr zu Sportgeräten verkommen. Damit Springpferde höher hüpfen, kommt es zum Einsatz von Elektro-Gamaschen. Pferden wird damit im Springtraining beim Ansetzen zum Sprung per Fernbedienung ein Stromschlag versetzt, damit sie die Beine ruckartig anziehen. Bekannt ist auch das Barren -Goder Touchieren. Hier wird mit Schlägen gegen die Vorderbeine gearbeitet. Im Dressursport werden auch Elektrosporen verwendet.
Gern werden bei Hindernissen auch Stangen mit Blei-Kern aufgelegt, an denen sich die Pferde die Beine stoßen. Oder die Stangen werden so präpariert, dass sie nicht aus den Auflagen fallen können. Üblich ist auch, die Pferde mit Blei-Gamaschen springen zu lassen. Bisweilen sollen sogar Hochdruckwasserpistolen zum Einsatz kommen, mit denen auf die Beine der Tiere gezielt wird. Eine Vielzahl von Medikamenten und Salben rundet die Rosskur ab. (taz)
Immer wieder Doping
Die wahren Dramen im Reitsport sind eher unspektakulär. Gehe ein Pferd etwa lahm aus dem Dressurviereck oder dem Parcours, sei das nicht so aufsehenerregend, sagt Schüle, "für das Pferd ist es aber schlimm".
Es erleide Schmerzen, habe eine womöglich langwierige Therapie vor sich. "Das findet dann ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt."
Neben kranken Beinen leiden viele Pferde unter Rückenschmerzen. "Ständig gibt es mehr Chiropraktiker, Akupunkteure und Masseure, die sich um solche Pferde kümmern", kritisiert Heuschmann. Ein weiteres Alarmzeichen, dass etwas falsch läuft im Reitsport, sind die immer wieder auftauchenden Dopingfälle.
Erst im vergangenen Jahr kehrte Isabell Werth, eine der erfolgreichsten deutschen Reiterinnen, nach einer einjährigen Dopingsperre wieder in den Sport zurück. Sie hatte ihrem Pferd ein verbotenes Beruhigungsmittel verabreicht.
Schmerzmittel für Pferde
Das ist ein typisches Vergehen. Gedopt werde im Reitsport üblicherweise nicht, um die Leistung der Pferde zu steigern, sondern um die Tiere zu beruhigen oder Schmerzen zu stillen, sagt Heuschmann.
Er ist Autor von Büchern wie "Finger in der Wunde. Was Reiter wissen müssen, damit ihr Pferd gesund bleibt". Und die Frage sei doch: "Warum müssen die Pferde beruhigt werden, warum brauchen sie überhaupt Schmerzmittel?"
Die Antwort auf diese Frage liegt auf dem Rücken der Pferde. Denn um den geht es bei den Debatten darüber, wie die Tiere richtig geritten werden, also so, dass sie sich wohl fühlen, gelassen ihren Reiter tragen und auch langfristig gesund bleiben. "Der Rücken muss schwingen", sagt Gunda Reimers, Betriebsleiterin der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster.
Erfgolg mit Tíerquälerei
Das Pferd soll locker und entspannt laufen, obwohl ein Reiter auf ihm sitzt. Schwingt der Rücken, klappt der Rest von selbst: Das Pferd schreitet, trabt oder galoppiert gleichmäßig im Takt und hält den Hals schön gebogen. "Diese Silhouette streben die Reiter an", sagt Heuschmann. Sie sei Ergebnis von jahrelanger, behutsamer und einfühlsamer Arbeit, die auf Reitturnieren mit guten Noten und Platzierungen belohnt wird.
Nur das die schöne Silhouette mit dem stolz gebogenen Pferdehals heute oft nicht Ergebnis jahrelanger Arbeit, sondern tierquälerischer Methoden sei, mit denen die Reiter schnell zum Erfolg kommen wollten, wettert Heuschmann. Die Profis machen es vor.
Seit einiger Zeit diskutieren die Pferdeleute in Zeitschriften oder Internetforen intensiv die sogenannten Rollkuren, mit denen bekannte Reiter wie die Holländerin Anky van Grunsven oder Isabell Werth ihre Pferde trainieren. Dabei ziehen sie den Kopf des Pferdes mit Gewalt auf die Brust. Der Hals ist dadurch rund. Das Pferd wird zum Gehorsam gezwungen, wehren kann es sich derart stranguliert kaum mehr.
Keine Gewalt
"Diese Pferde sind komplett verspannt", sagt Heuschmann, "denen tut alles weh." Erreichen lässt sich das entweder mit Kraft oder mit Hilfsmitteln wie Schlaufzügeln, mit denen der Reiter das Pferdemaul bequem nach hinten ziehen kann.
"Das geht gar nicht", sagt Gunda Reimers. Die Münsteraner Fachschule, die nicht nur Kurse für Freizeitreiter, sondern auch Lehrgänge für Berufsreiter und Amateurreitlehrer anbietet, sei eine "rollkur- und schlaufzügelfreie Zone". In jedem Kurs würde das Thema angesprochen, denn viele Lehrgangsteilnehmer kämen mit den Bildern der Profis im Kopf in den Unterricht. Gewalt und Zwang sind in der Ausbildung der Pferde nicht vorgesehen - theoretisch.
Zum ethisch richtigen Reiten, in Harmonie mit dem Pferd, gibt es ganze Regalmeter voll Literatur aus mehreren Jahrhunderten wählen; 1995 verfasste die FN die "ethischen Grundsätze des Pferdefreundes", und jedem internationalen Turnier sind "Codes of Conduct" vorangestellt.
Rote Karte für Tierquäler
Das Wohl des Pferdes steht dabei immer an erster Stelle. "Die vorgegebenen Regeln wären optimal, wenn sie eingehalten würden", sagt Veterinär Schüle. "Werden sie aber oft nicht." Es fehle an Kontrollen und Kontrolleuren. Es gibt die Möglichkeit, das Richter Reitern die Rote Karte zeigen, weil sie ihre Pferde misshandeln. Ob die Kontrolleure dieser Pflicht nachkommen, ist schwer zu ermitteln: Die FN führt darüber keine Statistik.
"Die Reiter tragen die Verantwortung", sagt Schüle. Doch sie scheitern an ihrem Ehrgeiz - und an den ökonomischen Verhältnissen. Im höchst dotierten deutschen Wettkampf, der Riders Tour, staubt der Gewinner 250.000 Euro ab. Davon lässt sich kein Turnierstall führen.
Die Reiter sind auf Sponsoren angewiesen oder darauf, Pferde zu trainieren und zu verkaufen. Immer geht es darum, die Pferde in kurzer Zeit zu Turniererfolgen zu trimmen. Ergebnis: Tiere, denen alle Knochen weh tun.
"Wir brauchen eine radikale Kehrtwende im Sport", fordert Heuschmann. Die Starts von jungen Pferden müssten begrenzt werden. Die Turnierrichter müssten Pferde, die erkennbar mit Rollkuren oder ähnlichem gequält wurden, konsequent aussortieren.
"Wir müssen dem Reitsport das Spektakuläre nehmen", sagt er, "denn das geht immer auf Kosten des Pferdes."
Leser*innenkommentare
ahja
Gast
wenn du dein pferd so sehr liebst..wieso belastest du es denn so mit dein gewicht u.s.w? wieso reitest du? weil du dein pferd liebst? also, das was du von dir gibs ist lächerlich...das hat mit tier liebe nichts mehr zu tun, das ist wohl ehr selbst liebe...
Und das was da steht...sowas nennt man die wahrheit..die solche ego menschen wie du nicht ertragen könn ;)
Nadine
Gast
Dieser Atrikel ist völlig übertrieben und wahrscheinlich von jemand geschrieben der keine Ahnung hat.
Nur weil ein Paar schwarze Schafe, diese gewissen Methoden anwenden. Kann man und darf man niemals auf alle Reiter schließen. Ich reite selber und kann diesen Artikel nur als völlig lächerlich beurteilen. Ich kenne niemanden der sein Pferd quält oder es zu Leistungen zwingt das es nicht erreichen kann. Alle sehen ihre Pferde als Sportpartner nicht als Sportgerät. Wir lieben diesen Sport, weil wir Pferde lieben nicht weil wir den Erfolg lieben.
Gerti
Gast
Alles was die Menschen tun um mit viel Druck und Schmerzen einem Tier so auch dem Pferd etwas aufzuzwingen ist Tierqäulerei. Hatte in jungen Jahren(vor 30 Jahren) selber lange ein Pferd war auf kleinen Tunieren,das Geld hat dabei keine Rolle gespielt. Viel mehr war jeder Reiter stolz wenn sein Pferd schöne geflochtene Zöpfe hatte und die Freude dabei zu sein. An solche Qäulereien wie man es heute hört das sind für mich keine Pferdefreunde Sie gehen über Leichen fürs GELD.Wenn man bedenkt wieviele Monate manche Reiter trainieren um gut abzuschneiden beim Tunier ist das für mich oky, allerdings wenn dann einer kommt und will in kurzer Zeit noch besser abschneiden seinem Pferd gewalt antut da hörts für mich auf .Die dürfen meines Erachtens garnicht an den Start.
Antonietta
Gast
Pferde sind Lebewesen, keine Sportgeräte!
"Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie essen.
Tiere sind nicht dazu da,
dass wir an ihnen experimentieren.
Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie anziehen.
Tiere sind nicht dazu da, dass sie uns unterhalten.
Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie ausbeuten."
Hannoi
Gast
Eins ist klar : Das im Pferdesport nicht alles eitel Sonnenschein ist wissen wir alle.
Jeder kennt die Storys, wie junge Pferde heutzutage ausgebildet werden.
Auch weiß jeder, dass es vielen nicht um das Wohl der tollen Tiere geht, sie sehen nur Geld und Erfolg. Ich glaube nicht, dass man eine Chance hat diese gemeinen Menschen und ihre Ausbildungsmaßnahmen aufzuhalten.
Ich finde es wirklich grausam.
Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass ich es gemein finde Eric Lamaze als Pferdequäler hinzustellen( gelesen in anderen Artikeln oder bei Facebook), nur weil er in einer absolut hilflosen Situation versucht, sein am Boden liegendes, sterbendes Pferd per Gerte zum aufstehen zu bewegen. Wer schon einmal ein Pferd erlebt hat, welches eine schwere Kolik hatte, der weiß wovon ich rede. Er schlägt nicht mit Lust und Gewalt, sondern weil er verzweifelt versucht sein Pferd zu retten.
Daher finde ich es auch gut, hier darauf hinzuweisen das ein Aorta Abriss vorkommen kann. Auch bei jungen Pferden, welche keine Leistungssportler sind.
Weiterhin git es mit Sicherheit auch immernoch Reiter( auch wenn es leider weniger sind/werden) die ihre Pferde wirklich lieben. Die sie so ausbilden wie es sein sollte, die ihre Pferde als Partner und Freunde ansehen.
Es gibt auch tatsächlich Pferde ( wie meins z.B. auch) die freiwillig, mit großer Begeisterung springen und das OHNE Schläge.
Die Probleme im Reitsport sind grässlich und nicht von der Hand zu weisen, man darf aber auch nicht vergessen, dass es immernoch eine andere Seite gibt.
Pferd
Gast
Zitat: "Gunda Reimers, Betriebsleiterin der Westfälischen Reit- und Fahrschule" und wie heißt es so schön auf der Homepage: "Klassisch Reiten - der Natur des Pferdes entsprechend."
Pferde existieren also, um geritten zu werden. 'Weshalb denn bitte sonst?!' fragt sich der "Pferdefreund". Da verwundert auch die Assoziation zum Autofahren ("Reit- und Fahrschule") nicht. Die Pferde sollten schließlich froh sein, dass sich jemand um sie kümmert und ihnen eine Richtung vorgibt. Wo kämen wir denn hin, wenn jedes Lebewesen selbstbestimmt leben könnte. Ohne des Menschen Ordnungs- und Unterordnungswille, geriete unsere Welt ja aus den Fugen.
Ich frage mich, wie diese "Pferdefreunde" mit so einem riesigen Brett vorm Kopf überhaupt noch laufen können! Ach ja müssen sie ja nicht, sie reiten ja...
guntherkummmerlande
Gast
Alle Aussagen von Heike Holdinghausen sind korrekt.
Aber es fehlt die Aussage, dass vor allem
die ReitlehrerInnen ein Lehrverbot für
verbotene Dressur-und Züchtigungsmittel
erteilt bekommen müssen, wie zum Beispiel
Rollkuren und die Qualität der Lehre
durch unangemeldete ReitlehrerInnenüberprüfer
erfolgen muß.
Bei zusätzlichen tierärztlichen Befund
von Reitschäden durch Tierquälerei und
eidesstattlich bezeugter und per Video dokumentierter
unerlaubter Mißhandlung der Pferde, muß eine
Suspendierung ausgesprochen werden und ein
Verwarnungsgeld von 6000,-€.
Jeder Reitunterricht muss auf Video/DVD
dokuentierbar sein, wenn der entsprechende
Reitstall seine Wettkampfberechtigung und
Lehrberechtigung weiterhin erhalten will.
Viele Reitpferde sind schon mit 7 Jahren
kapputt. Die Frauen sind dabei keinesfalls
liebevoller und fürsorglicher zu den Pferden
als die Männer.
Vielmehr ist eine Scheu vor drastischer Kritik
gegenüber Frauen feststellbar, sei es
aus frühkindlicher Domianz weiblicher Autoriätspersonen oder Bildungs-,Vermögens-,
Attraktivitäts-und Statusunterschieden.
Das Besitzrecht zählt heute immer noch mehr
als die Würde des Tieres.
Die Krüppelrate und Todesrate
ist im modernen Reitsport wesentlich nach oben
geklettert.
Der Reitsport als solches muß mehr spaßbetonter
und offener für die alle Gesellschaftsschichten
sein und weniger dem Leistungsbürgertum
vorenthalten bleiben.
Die seelische Einheit von Pferd und Reiter
sollte mehr im Vordergrund stehen, als die bloße
athletische und ästhetische Hampelmanntour.
Angela Franke
Gast
Danke für diese Beschreibung der wirklichen Zustände, im Gegensatz dazu im Tagesspiegel ein schönfärberischer Bericht über ein "Ausnahmepferd". Ich habe dort im KOmmentar auf Ihren Artikel verwiesen.
LKS
Gast
Danke für den Artikel! Sehr erfreulich gerade auch angesichts der ganzen Reit-"Sport"-Propaganda per Tagesschau etc...