Petra Pau über Mindestlohn: "10 Euro sind machbar"
Petra Pau hält die Forderungen der Linken für realisierbar - wenn auch nicht sofort.
taz: Frau Pau, die Linkspartei will bis zum Jahr 2013 Hartz IV auf 500 Euro erhöhen und einen Mindestlohn von 10 Euro einführen. Ist das realistisch?
Petra Pau: Ja, nicht sofort, aber in den nächsten vier Jahren. Kürzlich wurde die Pfändungsgrenze auf 986 Euro im Monat festgelegt. Das ist das Existenzminimum. Das entspricht in etwa einem Mindestlohn von 10 Euro. Eigentlich müssten die anderen Parteien erklären, warum sie Mindestlöhne unterhalb des Existenzminimums fordern.
Will die Linkspartei nun nicht 10 Euro, um sich von der SPD abzusetzen, die einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro fordert?
Die Zahlen sind im Zweifel nicht entscheidend. Wenn es im Bundestag eine Mehrheit für einen Mindestlohn gibt, dann werden wir dafür stimmen - natürlich auch, wenn er unterhalb von 10 Euro liegt. Es geht uns um den Einstieg in den Mindestlohn. Im Übrigen gibt es diese Debatte nur, weil wir sie auf die Tagesordnung gesetzt haben. Früher wurden wir für die Forderung nach dem Mindestlohn ausgelacht - jetzt kommt niemand mehr daran vorbei.
Das sind die Erfolge von gestern. Die ostdeutschen Landeschef wollten lieber 8 Euro Hartz IV und 435 Euro Mindestlohn - und haben damit verloren.
Nein. 10 Euro Mindestlohn und 500 Euro Hartz IV sind das Ziel am Ende des Weges. Wir müssen denen, die heute einen Tariflohn von 3,50 Euro bekommen, klarmachen: Wir kämpfen als Erstes überhaupt für den gesetzlichen Mindestlohn. Und zweitens machen wir deutlich: Wir kämpfen zusätzlich für einen Mindestlohn, von dem diese Menschen leben können und bei dem sie nicht als Aufstocker auf Hartz IV angewiesen sind.
Wäre es nicht trotzdem wichtiger, dass die Linkspartei konkret den Weg zum Mindestlohn beschreibt, anstatt bloß ihre Forderungen zu erhöhen?
Auch der Weg ist wichtig. Aber es geht um ein überschaubares Wahlprogramm und nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung.
Manche ehemaligen PDS-Politiker fürchten, dass sich im Osten viele Genossen resigniert aus der Bundespartei zurückziehen. Ist das eine Tendenz oder nur eine flüchtige Stimmung?
Letzteres. Es stimmt, dass es vor dem Parteitag erbitterten Streit um einzelne Sätze im Wahlprogramm gab. Ich rate da nach 20 Jahren Erfahrung mit der PDS und Linkspartei zu mehr Gelassenheit.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE
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