Peter Weissenburger Der Wochenendkrimi: Ein Thriller lebt nicht unbedingt von genialen Ideen. Sondern vom Spiel mit (Des)Information
Einen Krimi zu schreiben, einen Mystery-Plotoder einen Thriller, das muss in etwa so sein, wie einen Speiseplan zu erstellen aus begrenzten Zutaten für ein mondänes Berghotel. Schon die erste Mahlzeit muss überzeugen, aber das Beste muss man noch aufsparen für später – eben den Gästen klarmachen, dass sie etwas verpassen, wenn sie vorzeitig abreisen.
Oder abschalten, wenn es ums Fernsehen geht. Denn abschalten möchte man eigentlich schon hin und wieder, bei dieser Verfilmung des Bestsellers „Gone Girl“ der US-Schriftstellerin Gillian Flynn. Wie schon bei der Romanvorlage ist die Fallhöhe schmerzhaft unoriginell, das Spiel mit den Urängsten der Hetero-Paarbeziehung erstaunlich offensichtlich.
Amy (Rosamund Pike, Foto) und Nick (Ben Affleck) sind das per-fek-te Paar. Aber dann verschwindet Amy, in der Küche ist Blut, und ein Indiz nach dem anderen belastet Nick – der sich das alles nicht erklären kann.
Eine geniale Idee ist das alles nicht. Es ist die uralte Trope „manipulative Frau“ versus „trottelig-gutmütiger Mann“. Aber ein Thriller lebt nicht von genialen Ideen, er lebt von dem klugen Spiel mit Information und Desinformation. Und deswegen schaltet man bei „Gone Girl“ eben nicht ab.
Gillian Flynn, die hier ihr eigenes Buch in ein Drehbuch verwandelt hat, vermag es, gerade so viel Information mit uns Zuschauer*innen zu teilen, dass wir daraus Schlüsse ziehen können. Dass wir unweigerlich Hypothesen entwickeln, was passiert sein könnte. Ist Amy wirklich tot? Wurde sie ermordet? Von Nick? Ist Nick, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt ist, ein Psychopath oder leidet er an Gedächtnisverlust? Gibt es eine Verschwörung? Und wer steckt da mit drin?
Hungrig nach Informationen, die die eigene Theorie stützen könnten, schaut man also nochmal bis zum nächsten Werbeblock – und wird knallhart betrogen, weil sich herausstellt, dass Flynn uns auch mit Falschinformation versorgt.
Der ganze Film ist ein Verwirrspiel der Autorin mit uns, dem Publikum. Die Figuren sind da nur zweckmäßig zwischengeschaltet. Dass sie wenig Tiefe haben, ist egal. Und dass Regisseur David Fincher es nicht geschafft hat, seine Starbesetzung dazu zu kriegen, diese einigermaßen schablonigen Charaktere etwas ausdrucksstärker zu spielen, das fällt kaum ins Gewicht.
Gillian Flynn sagt einfach: „Hey, ich hab hier eine Story für dich, mal sehen, ob du dich ihr entziehen kannst.“ Und ja, man bleibt. Man bleibt bis zur letzten Mahlzeit. Auch wenn das Ende bitter schmeckt.
„Gone Girl“, So., 20.15 Uhr, Pro7
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