Peter Unfried über Motorsport: „Auf Komödienstadl-Niveau“
Motorsport hat auf den Sportseiten der taz nichts zu suchen. Den Grund dafür erklärte taz-Redakteur Peter Unfried 2001 dem „Stern“.
![](https://taz.de/picture/139798/14/Formel1dpa171013.jpg)
Sebastian Vettel ist beinahe schon wieder Formel-1-Weltmeister. Na und? Es wird darüber nichts zu lesen sein auf den Sportseiten der taz. Dass die Leibesübungen nicht über Wettrennen mit motorisierten Fahrzeugen berichten, ist das vielleicht ehernste Gesetz der Sportredaktion. Die Gründe dafür hat taz-Redakteur Peter Unfried in einem Interview erläutert, das er 2001 dem Magazin „Stern“ gegeben hat. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Stern: Herr Unfried, Sie sind kein Michael-Schumacher-Fan?
Peter Unfried: Nein.
Wie hat die taz über Schumachers vierten Weltmeistertitel berichtet?
So ausführlich, wie wir es für angemessen halten. In zehn Zeilen auf der zweiten Seite. Die bestmögliche Formel-1-Berichterstattung ist die, die wir machen. Nämlich keine.
Weil Ihr Sportteil „Leibesübungen“ heißt?
Die Diskussion, warum Formel 1 kein Sport ist, will ich nicht wieder aufwärmen. Ganz banal: Das Verbrennen fossiler Brennstoffe im Auftrag von Bernie Ecclestone und RTL ist für die taz kein Thema. Es gibt schlicht keine Zielgruppe für eine kritische, kompetente Formel-1-Berichterstattung. Den einen ist sowieso längst klar, woran sie sind. Und den anderen ist nicht mehr zu helfen: Die wollen das nicht. Das muss man akzeptieren.
Sie könnten das Geschehen in der Formel 1 doch ironisch kommentieren.
Für eine geistreiche Unterhaltung ist der Stoff zu platt. Die Protagonisten bewegen sich auf Komödienstadl-Niveau.
49, war von 1994 bis 1999 Leibesübungen-Redakteur. Er wollte die Sportberichterstattung revolutionieren – und scheiterte.
Aber Formel 1 bewegt viele Menschen. Am Sonntag haben zwölf Millionen Deutsche das entscheidende Rennen gesehen.
Formel 1 zu schauen ist der archetypische Ritus des geistig zurückgebliebenen Mannes. Diese Zielgruppe halte ich für die taz nur für mäßig relevant.
Eine elitäre Position.
Klar. Natürlich gibt es auch unter unseren Lesern Menschen, die da reingerutscht sind und jetzt als gescheiterte Mitglieder der Gesellschaft ihre Sonntage damit verbringen, zuzusehen, wie Benzin aus Auspuffen geblasen wird. Aber das sind Einzelschicksale.
Die taz ignoriert die Wünsche einer Minderheit?
Die taz kümmert sich immer um Minderheiten. Und für unsere drei potenziellen Formel-1-Leser bietet unsere Ökoredaktion Beratungs- und Therapiegespräche an.
Was halten Sie aus Sicht des Gesellschaftskritikers davon, dass Michael Schumacher als Volksheld gefeiert wird?
Da steckt nichts dahinter. Eine Milliarde Fliegen setzt sich jeden Tag auf einen Misthaufen, aber das heißt noch lange nicht, dass das relevant und berichtenswert wäre.
Wann wären die Schumacher-Brüder ein Titelthema für die taz?
Nicht, wenn einer von beiden einfach auf seine letzte Mauer rauscht. Das müsste schon eine Kain-und-Abel-Dimension haben.
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