■ Peter Hofmann reitet und schießt in Bad Segeberg: Jetzt müßte er doch eigentlich singen
„Ich habe schon in sehr jungen Jahren Karl-May-Bücher verschlungen, weil ich immer schon vorher wußte: Bei Karl May siegt das Gute.“ Der mehrfach ausgezeichnete Startenor Peter Hofmann („Ehrenlöwe“, „Goldener Löwe“, „Goldenes Bambi“ u.a.) hat sich einen Jugendtraum erfüllt. Bei den traditionsreichen Karl- May-Spielen im Freilichttheater von Bad Segeberg kämpft er als Old Firehand an der Seite Winnetous gegen das Böse. Vor der Premiere am vergangenen Samstag stellte sich vor allem eine Frage: Würde der 52jährige Sänger, ähnlich wie mit dem Album „Rock Classics“, wieder seine Jugendträume zu anderer Leute Alpträume werden lassen?
Zunächst hatten die Veranstalter zur Westernparty im „Indian Village“ geladen, eine Ansammlung von Freßbuden und Souvenirläden im Blockhausstil. Unter den Rauchschwaden der Holzfeuer flanierten Hunderte von Cowboys und Indianern. Vor allem die sogenannten erwachsenen Besucher fielen durch aufwendige Kostüme auf. Blondierte Damen in schwarzen Marshal-Uniformen, unter buntem Perlen- und Federschmuck gebeugte Rentner und Cowboys mit Mobiltelefonen am Gürtel labten sich an gegrilltem Schweinefleisch. Die Kinder durften sich derweil am Goldwaschbecken amüsieren.
Dann endlich rief das dritte Signal der Kavallerietrompete zur Vorstellung. Auf den steilen Rängen saßen 8.000 Zuschauer. Ausgerüstet mit Wolldecken, Regenjacken und Schreckschußpistolen blickten sie gespannt auf den Segeberger Kalkfelsen und die neben dem Naturschutzdenkmal aufgebaute Kulisse. Über Plastikberg, Kunstsee und Wasserfall ist in etwa 20 Meter Höhe eine Hängebrücke gespannt. Von dort wird am Ende Winnetou den Schurken Tim Finnetey in den brennenden See stoßen. Die restlichen Zutaten einer Karl-May-Aufführung sind bekannt: reitende Kavallerie, Goldtransport, brennender Planwagen, als Indianer verkleidete weiße Banditen, eine schöne Häuptlingstochter in Gefahr und Rauchzeichen. Doch wann endlich kommt Peter Hofmann? Kurz nach Winnetou reitet er ein. Unter den blonden Korkenzieherlocken ein Lächeln auf dem gebräunten Gesicht, das nach den ersten Kampf- und Reiteinsätzen allerdings zunehmend rot wird.
Hofmann wird jetzt Ribanna verfallen: Keine vermochte nach Karl Mays Beschreibung „die Häute so zart zu gerben und das Jagdkleid so sauber zu nähen wie sie“. Kein Wunder also, daß Old Firehand sich in sie verliebt. Mit den Worten „ich glaube, ich sollte auch einmal den Staub der Prärie abwaschen“, folgt er Ribanna an den See. „Jetzt müßte er doch eigentlich singen“, bemerkt eine Zuschauerin. Doch wir sind hier schließlich nicht im „Phantom der Oper“. Zum Ausgleich beginnt der Wasserfall zu rauschen; getragene Streichermusik setzt ein. Mit reichlich Applaus belohnt das Publikum den unvermeidlichen Kuß: Es ist bekannt, daß Peter Hofmann und die Ribanna-Darstellerin Keely Sims auch im wirklichen Leben ein Paar sind (gemeinsame Hobbys: Golf und Westernreiten).
Doch wie verkraftet Winnetou- Darsteller Gojko Mitic, der altgediente Indianerstar der ehemaligen DDR und seit zwei Jahren erfolgreich in der ARD-Serie „Verbotene Liebe“, den Rummel um das neue Traumpaar? Vorsorglich war von den Veranstaltern betont worden, daß er im Interesse des Ensembles auch bereit sei, sich zurückzunehmen. Er sei, wie Winnetou, „zurückhaltend, aber stark“.
Mitic hatte dennoch seinen Auftritt. Winnetous philosophische Ausführungen über den Schöpfer und das Gleichgewicht der Natur, ausgelöst durch die Nachricht von Ribannas Schwangerschaft, gehörten zweifelsohne zu den Höhepunkten der Aufführung.
Folgerichtig wurde Mitic am Ende der Vorstellung, als es für die Darsteller Blumen und für die 30 mitwirkenden Pferde Mohrrüben gab, mit dem meisten Applaus bedacht. Typisch für das bodenständige und treue Segeberger Publikum: Winnetou ist und bleibt nun einmal der Star der Karl-May- Festspiele, egal wer in den anderen Hauptrollen aufgeboten wird oder singen könnte. Langjährige Besucher erzählen noch heute, wie dem nicht mehr ganz so sportlichen Pierre Brice mit aufmunternden „Hau ruck“-Rufen aufs Pferd geholfen wurde. Ein Spaß für die ganze Familie also. Klaus Sieg
Noch bis zum 31. August am Karl- May-Platz, 23795 Bad Segeberg; Do., Fr. u. Sa. 15 u. 20 Uhr; So. 15 Uhr. Kartenpreis 18 bis 34 Mark. Karten unter Tel. (045 51) 9 52 10
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