piwik no script img

Peter Graf ist keine Ausnahme

■ betr.: „Laßt Peter Graf frei“, taz vom 23. 9. 96

Uns spricht der Kommentar aus dem Herzen und wir freuen uns, daß auf der ersten Seite einer bundesweit verbreiteten Zeitung selbst im Falle Peter Graf gegen die „allgemeine Pressemeinung“ angegangen wird.

Eine Passage dieses Kommentars entspringt aber einem Wunschbild und zeugt von Informationen „entsprechend landläufiger Meinung“. „So lange wie Graf sitzen in Deutschland kaum je Leute in U-Haft, denen Tötungsdelikte zur Last gelegt werden, von Steuerhinterziehung ganz zu schweigen.“

Allein in diesem Gefängnis mit mehr als 500 Gefangenen, in der Majorität U-Häftlinge, sitzen Dutzende U-Häftlinge mehr als ein Jahr ein. [...]

Das deutsche System der Strafverfolgung bis zum Beginn der Hauptverhandlung wird in bezug auf Dauer und Menschenunwürdigkeit wohl von keinem zivilisierten Rechtsstaat der Welt überboten. KeineR sollte unter solchen Zuständen leiden. Aber Peter Graf ist keine Ausnahme! Wenn von Klassenjustiz zu sprechen ist, dann im Blick darauf, daß Ausnahmen von solcher Regel einem Thyssen-Vorstandsmitglied gewährt werden ... Michael Claassens, Redakteur,

Pater Wolfgang Siefert, OP,

Herausgeber des „Ulmer Echo“

Gefangenenmagazin aus der

JVA Düsseldorf

[...] Die inhaltliche Logik ist ein schlechter Witz. Weil die Steuerhinterzieher Vogel und Boehnisch besser behandelt wurden als Graf, muß dieser freigelassen werden. Auf die umgekehrte Idee, daß vielleicht Vogel und Boehnisch auch hinter Gitter gehört hätten, ist die Autorin anscheinend nicht gekommen. Soll man jetzt aus dem Kommentar schließen, daß alle Steuerhinterzieher freigelassen beziehungsweise gar nicht erst eingesperrt werden sollen, nur weil Vogel und Boehnisch zu gut behandelt wurden? [...] Kay Milner, Bonn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen