Pete Doherty in Berlin: Der Wahnsinn ist vorbei

Pete Dohertys Band Babyshambles spielte in Berlin. Auch wenn sie Auch wenn es ein paar große, wankende Momente gab, konnten sie sich immer wieder fangen.

Aufgeräumt und ohne Hut: Pete Doherty in Berlin. Bild: dpa

Das Wichtigste zuerst: Nein, es gab keine Skandale. Pete Doherty ist nicht von der Bühne gefallen, es gab keinen Gastauftritt von Amy Winehouse, und es wurde auch keine Coverversion von "Oops! I Did It Again" gegeben. Es war, und das war das Erstaunliche, ein ganz normales Konzert. Ein verregneter Mittwochabend, eine ausverkaufte Berliner Columbiahalle, ein pünktlicher Beginn, ein normales, ordentliches Abspielen der Setliste. Nach einer guten Stunde, vielen guten Songs, einigen schiefen Soli und der krönenden Zugabe mit "Fuck Forever" war der Spaß vorbei. Kaum zu glauben, aber so war es.

Das war vor zwei Jahren an selber Stelle noch ganz anders gewesen - wir erinnern uns: Doherty wurde am Londoner Flughafen aufgehalten, weil er zu viel getrunken hatte, die Babyshambles hatten das Kölner Konzert bereits absagen müssen. Irgendwie schafften es die Manager, Doherty doch in den Flieger zu setzen, während das Publikum in Berlin Wetten abschloss, ob und wann das Konzert nun ausfallen würde. Um Punkt 1.15 Uhr betraten die Babyshambles die Bühne und gaben ein denkwürdiges Konzert, in dem Doherty mehrmals den Faden verlor, die Songs größtenteils hinimprovisiert wurden. Um halb drei mussten die Bühnenarbeiter den völlig derangierten Doherty mehr oder weniger von der Bühne kratzen.

Und nun scheint alles gut zu werden. "Happy endings, they never bored me", singt Doherty in "Fuck Forever" und erweckt dabei den Eindruck, als ob er seine Songzeilen beherzigen würde. Die Babyshambles wirkten routiniert, auf Mätzchen ließ sich niemand ein, kaum war der eine Song zu Ende, wurde auch schon der nächste angespielt. Gitarrist Mik Whitnall, der beim letzten Konzert schon dabei war und sich damals als Halt der Band erwies, spielte diesmal ruhig mit Kippe im Mundwinkel seine Parts daher und durfte in der Zugabe allein irgendein Reggae-Stück covern. Adam Ficek am Schlagzeug und Drew McConnell schüttelten lässig das Grundgerüst aus den Ärmeln und schienen sogar Spaß daran zu finden.

Natürlich ist das Ausgefranste, Fragmentarische noch immer vorhanden in den Songs, auch in denen vom neuen Album "Shotters Nation", von dem die meisten der in der Columbiahalle gespielten stammten. Auffällig und aufregend wurde es immer dann, wenn Doherty unter seinem Mikro abtauchte und ein Solo dahinschluderte. Diese wankenden Momente wurden umso großartiger, als dass er und seine Band sich immer wieder zu fangen verstanden: In besonders hellen Momenten fing Doherty sogar einen aus dem Publikum geworfenen Bierbecher ab und kickte ihn gekonnt auf die linke Seite. Wenn nicht Kate Moss oder Carl Bârat anrufen demnächst, dann vielleicht jemand vom FC Chelsea.

Der Wahnsinn scheint also vorbei zu sein. Heutzutage schreibt Doherty gute Liebeslieder wie "Delivery", die "From Me To You" in nichts nachstehen. Die Band spielt soliden Britrock, die Ska-Elemente sind deutlich zurückgefahren, dafür gibt es die vom Publikum immer frenetisch gefeierten Beschleunigungsmomente. Wie im Grungerock: Das langsame Grundschema wird unvermittelt schnell gespielt. Alle flippen aus. Eine weitere Auffälligkeit ist, dass sowohl Doherty wie Whitnall komplett ohne Effekte auskommen. Als ob Pedale nie erfunden worden wären. Wenn man so will, ein Geheimrezept: Erst so kommen die Melodiechen auf Dohertys Leadgitarre und das Stakkato der Rhythmusgitarre in Schwung, in Harmonie, in Emphase. So klingen die Babyshambles eben auch wie eine der besten Bands der Sechziger, die via Zeitmaschine alle Smiths-Platten aus den 80ern absorbiert hat. Oder umgekehrt. "Yes, here comes a delivery/ Straight from the heart of my misery,/ Oh, this song might deliver me/ straight from the heart to you", heißt es in "Delivery". Ein richtig trauriger Song wird wohl nie aus Doherty purzeln, all diesen Zeilen zum Trotz. Was er macht, ist, durch gekonnte Melodik Euphorie schaffen.

Fand, dies zum Schluss, auch das Publikum. Es gab zwar nach Schweiß riechende Jungs ohne T-Shirts und mit glänzenden Augen schwankende Mädels, insgesamt schien das Publikum aber mit den Babyshambles gereift zu sein. Die für Doherty-Fans einstmals symptomatischen Hüte gab es fast überhaupt nicht zu sehen, verirrte Gala-Leserinnen und Bild-Zeitung-Gläubige ebenfalls nicht. Die gelieferte Botschaft lautet also: Alles wird gut.

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