Peru: Hilfe für Erdbebenopfer angelaufen
Zwei Tage nach der Katastrophe mit über 500 Toten werden in Peru die am schlimmsten betroffenen Städte mit Medikamenten und Lebensmitteln versorgt. Angst vor Nachbeben.
Das erste Flugzeug kam aus Bolivien. Vorgestern Nachmittag landete eine Hercules-Transportmaschine mit 15 Helfern sowie 12 Tonnen Medikamenten und Lebensmitteln auf dem Flughafen von Pisco. Die kleine Hafenstadt ist am stärksten von dem Erdbeben der Stärke 8,0 betroffen, das die zentralperuanische Provinz Ica am Mittwoch heimgesucht hatte. Ebenfalls am Donnerstag traf eine Militärmaschine aus Kolumbien ein, weitere Nachbarländer zogen gestern nach.
"Pisco sieht aus, als ob es bombardiert worden wäre", berichtet der Journalist Santiago Pedraglio. "Aber die Regierung hat schnell reagiert". Auch die Europäische Union und diverse UN-Organisationen kündigten umfassende Hilfslieferungen an. In Berlin stellte das Auswärtige Amt 200.000 Euro Soforthilfe bereit. Mit diesem Geld sollen vor allem Decken, Sanitätsmaterial, Hygieneartikel und Notunterkünfte finanziert werden.
Feuerwehrmänner, Soldaten, Ärzte und freiwillige Helfer leisteten Schwerstarbeit, ebenso wie Angehörige des Zivilschutzes und von internationalen Hilfsorganisationen. "Die Situation ist sehr ernst," sagte Guido Cornale von Unicef-Peru. "Wir müssen schnell helfen, um die Kinder vor gefährlichen Krankheiten zu schützen."
Nach amtlichen Zahlen vom Freitagmorgen kamen mindestens 510 Menschen bei der Naturkatastrophe ums Leben, nahezu 2.000 wurden verletzt. Die peruanische Feuerwehr ging von 17.000 zerstörten Häusern und 85.000 Obdachlosen aus.
In Pisco, das zu 70 Prozent vernichtet wurde, spielten sich dramatische Szenen ab. Tausende suchten in den Schuttbergen ihrer Lehmhäuser nach Überlebenden - über die Hälfte aller Todesopfer wird hier vermutet. Auf der zentral gelegenen Plaza de Armas waren stundenlang Dutzende von teils grausam verstümmelten Leichen aufgebahrt. Den ganzen Tag über zogen Menschen auf der Suche nach Familienangehörigen und Freunde vorbei.
Direkt am Hauptplatz war am Mittwochabend, als die Erde zwei Minuten lang bebte, während einer Messe die Kuppel der San-Clemente-Kirche auf die gut 200 Gläubigen heruntergestürzt. Über 80 leblose Körper wurden von Feuerwehrleuten aus der Kirche geborgen, die noch während der Kolonialzeit im 18. Jahrhundert errichtet worden war. Von dem Gotteshaus stehen nur noch die Front und zwei Glockentürme - der Rest ist ein einziger Schuttberg.
Präsident Alan García und Premierminister Jorge del Castillo trafen gegen Mittag in der Hafenstadt ein. Auf ihrem Rundgang wurden die Politiker von den verzweifelten Pisqueños bedrängt. "Herr Präsident, wir brauchen Särge", riefen sie. "Ich werde nicht weggehen, bis eure Probleme gelöst sind", versprach García und fügte hinzu, dass aus Lima bereits 150 Särge unterwegs seien.
Da die Panamerica-Fernstaße auch am Donnerstag weiterhin unpassierbar blieb, richtete die Regierung eine Luftbrücke zur Versorgung der Katastrophengebiete ein. Der Staatschef rief eine dreitägige Volkstrauer aus, während der alle öffentlichen Einrichtungen geschlossen bleiben. Kongresspräsident Luis González Posada sagte im Rundfunk: "Wir haben hier Tausende, die etwas zu essen brauchen."
In der Nacht zum Freitag übernachteten wegen zahlreicher Nachbeben bereits zum zweiten Mal Zehntausende unter freiem Himmel. Bei Temperaturen um zehn Grad wärmten sich die Menschen an Lagerfeuern, weder Strom- noch Wasserversorgung waren wieder hergestellt. "Die Menschen sind geschockt und haben wegen der Nachbeben große Angst," berichtete Jeannette Weller, die Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe in Peru. Mehrere Dörfer in der Katastrophenprovinz seien noch immer von der Außenwelt abgeschnitten.
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