■ Peru: Alberto Fujimori im Jahr eins nach der Geiselkrise: Der Politiker als autoritärer Klempner
Der Mann frißt sogar Eisen, könnte man meinen. Nichts und niemand kann dem peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori derzeit etwas anhaben. Aus jeder Krise weiß er Profit zu schlagen, aus jedem Skandal seiner Regierung geht er gestärkt hervor. Seine Regierung ist eine Ein-Mann-Regierung, seine Minister dienen nur der Zierde, um die demokratische Form zu wahren – zu sagen haben sie nichts.
Als im Dezember 1996 ein Kommando der von Fujimori bereits totgesagten Rebellenorganisation über 500 Menschen als Geiseln nahm, war es wieder einmal soweit: Eine friedliche Lösung der Geiselkrise wäre am Verhandlungstisch zu erreichen gewesen, doch Fujimori verhandelt nicht. Denn nur die Schwachen verhandeln, diesen Merksatz des autoritären Denkens hat Fujimori verinnerlicht. Am Nachmittag des 22.April 1997 ließ er von einem Spezialkommando die besetzte Botschafterresidenz stürmen. Das Ergebnis: eine tote Geisel, zwei tote Soldaten und 14 tote Guerilleros. Auf einer Treppe läßt er sich dabei ablichten, wie er grinsend über die Leiche eines MRTA- Mitgliedes steigt. Der Mann geht über Leichen.
Zuvor dirigierte er mit dem Funkgerät die Soldaten und fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum, so als habe er persönlich die Aktion geleitet. Der Politiker wird bei Fujimori zum reinen Technokraten, er fällt Sachentscheidungen, das will er seinen Wählern zumindest weismachen.
Bei Fujimoris Politik wird der Politiker zum Klempner, der kommt, wenn das Abflußrohr tropft. Auf diese Weise wurde er auch zum großen Gewinner der Unwetter, die El Niño seinem Land bescherte. Zur Zeit der katastrophalen Überschwemmungen stieg seine Beliebtheitskurve steil nach oben, seine Akzeptanz in der Bevölkerung ist derzeit hoch wie schon lange nicht mehr. In Jeans und Poloshirt gekleidet, ging er in die Krisenregionen und legte selbst mit Hand an, um Dörfer wieder aufzubauen.
Fujimori gefällt sich in der Rolle als Helfer der Armen, und das muß er auch. Denn in der Masse der Armen hat er seine Wählerbasis gefunden. Da sie aus seiner Hand die Almosen empfangen, die ihnen ihr hartes Leben erleichtern, machen sie am Wahltag ihr Kreuz bei seinem Namen. Für sie erscheint er als der Messias, als ein Retter in der Not. Dabei haben Fujimoris neoliberale Wirtschaftsreformen die Sozialstruktur Perus völlig aus der Bahn geworfen. Es gibt immer weniger formelle Arbeit, der informelle Sektor dagegen wächst. Das Peru Fujimoris ist geprägt von einer starken Zuwanderung in die großen Städte und Armut. Die Öffnung der Märkte machte die sozialen Unterschiede zwischen besitzender Klasse und Unterschicht noch deutlicher.
Doch der peruanische Präsident hält weiter eisern an seinem Kurs fest. Sein großes Projekt ist die Wiederwahl im Jahr 2000. Zwar sieht die Verfassung nur eine einmalige Wiederwahl eines Präsidenten vor, doch das schert ihn wenig. Mit demokratischen Spielregeln hat er eben wenig am Hut. Als das Verfassungsgericht sich gegen seine Interpretation der Verfassung aussprach, nach der eine Wiederwahl möglich sein soll, entließ die ihm zu Füßen liegende Parlamentsmehrheit einfach die Verfassungsrichter. Und seither gibt es in Peru kein funktionierendes Verfassungsgericht mehr.
Fujimori baut demokratische Institutionen ab, um damit immer mehr Macht für seine Führungsclique zu akkumulieren. Die Gewerkschaften haben fast jede Bedeutung verloren, ebenso die politischen Parteien. Sie sind durch die Regierungsclique ersetzt worden. Von der sozialdemokratischen APRA gibt es nur mehr Reste, Teile von linken Gruppen existieren noch.
Die autoritäre Logik, mit der Fujimori die Geiselkrise bewältigt hatte, ist nichts weiter als sein ganz alltäglicher Regierungsstil. Ingo Malcher
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