Personenführung #50: Die Korrektur: Avantgardisten im Bergwerk

Ihr Anruf lässt den Puls der Redakteure nach oben schnellen: Die Korrektur. Eine Stellungnahme.

Mitarbeiter der Korrektur – möchte unerkannt bleiben – versteckt sich hinter einer Kopie von taz Nr. 1 aus dem Jahr 1979. Bild: Isabel Lott

Wenn wir mitten in der Produktion einen Redakteur anrufen, tönt es schon mal angsterfüllt durch den Hörer: „Was hab ich denn jetzt wieder falsch gemacht? Habt ihr schon wieder was gefunden?” Ja, klar, wir finden immer was, dafür sind wir die Korrektur.

Zehn Kollegen sind wir, nur wenige in Vollzeit, bei traumhafter Frauenquote (6:4) und taz-typischer West-Ost-Lage (8:2); die Zeitung für den nächsten Tag lesen in der Regel fünf. Namen tun nichts zur Sache, wir arbeiten quasi unter Deck.

Zum Telefon greifen wir nur bei größeren Komplikationen: falschen Ellipsen, kryptischen Unterzeilen, schiefen Sprachbildern etwa. Wenn wir uns dann nicht einlassen auf Beschwichtigungsversuche à la „Aber man weiß doch, was gemeint ist”, ruft man uns auch schon mal „Sprach-Stalinisten” oder „Duden-Ajatollahs” hinterher, aber das ficht uns nicht an.

Schön soll es sein

Solche Titulierungen sehen wir vielmehr als ehrenvolle Auszeichnung. Wo andere ihr Leben nach Mao-Bibel oder Scharia ausrichten, wurde uns der Duden zur Heiligen Schrift. Der gelbe Ziegelstein ist uns Richtschnur und Kompass in den Wirrnissen der taz.

Von diesem festen Grund aus sowie gestählt in der Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit meistern wir elastisch die sprachlichen Herausforderungen des Tages. Wer uns Normhörigkeit vorwirft, ist auf dem Holzweg: Es geht nicht um „richtig” oder „falsch”, sondern es muss „passen” – und schön soll es sein.

Bei der Durchsetzung unserer Prinzipien ist taktisches Geschick vonnöten. Ist die Mehrzahl der Redakteure offen für Vorschläge, so rufen wir die, die immer alles besser wissen – was eigentlich uns vorbehalten bleiben sollte –, gar nicht erst an, sondern verbessern auf samtenen Pfoten. Meist merkt es keiner, weil es eben besser ist – oder keiner mehr draufschaut.

Wenn Studienräte schimpfen

An manchen Tagen aber werden wir von „Fehlern” derart überflutet oder sind so dezimiert oder alles kommt viel zu spät, dass auch wir überfordert sind. Prompt laufen am nächsten Tag die Leserbriefe der Studienräte ein, die auch schon mal despektierlich fragen, ob es in der taz überhaupt eine Korrektur gibt.

Wenn es gut läuft, nehmen die Leser keine Notiz von uns. Dann haben wir Avantgardisten der Stille im Bergwerk der Sprache unsere Arbeit verrichtet.

EINER AUS DER KORREKTUR

(Wie geschrieben, Namen tun nichts zur Sache.)