piwik no script img

Personalie in GeorgsmarienhütteAmtsschimmel kickt Ehepaar

Die Stadt hat ein Bewerbungsverfahren abgebrochen, weil der Ehemann der Kandidatin im Rathaus arbeitet. Laut Verwaltungsgericht Osnabrück zu Unrecht.

Das darf laut Gericht nicht sein: Ehemann als Karrierehindernis Foto: dpa

Hannover taz | Im Rathaus der niedersächsischen Industriestadt Georgsmarienhütte spielt gerade eine wirklich vertrackte Personalgeschichte. Der Ausgangspunkt: Eine Stellenausschreibung für die „Stabsstelle Wirtschaftsförderung und Rechtswesen“. Eine Spitzenposition in der Stadt, quasi die Nummer 3 hinter der Bürgermeisterin Dagmar Bahlo (SPD) und dem 1. Stadtrat und Kämmerer Alexander Herzberg.

Wie bei einer solchen Position üblich, gibt es ein ausgefeiltes, mehrstufiges Verfahren mit der Hilfe einer entsprechend spezialisierten Unternehmensberatung. Sieben Personen haben sich beworben, zwei sind in die engste Auswahl gekommen – ein Mann und eine Frau. Es gilt das Prinzip der Bestenauslese, wie es im Beamtenrecht vorgeschrieben ist, das hier wenig Spielraum lässt. Die Bewerberin gewinnt knapp.

Die Bürgermeisterin präsentiert diese also als Wunschkandidatin dem elfköpfigen Verwaltungsausschuss, der von den im Rat vertretenden Fraktionen besetzt wird. Und dann wird es heikel. Denn der Verwaltungsausschuss lehnt die Bewerberin fast einhellig ab. Das gab es in der Stadtgeschichte noch nie, schreibt die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am 22. September.

Familiendynastie befürchtet

Grund für die Ablehnung: Die Bewerberin ist mit einem der Spitzenbeamten im Rathaus verheiratet, müsste mit ihrem Mann unmittelbar zusammenarbeiten, die Kompetenzen überschneiden sich. Das finden die meisten Po­li­ti­ke­r*in­nen – sieben Männer und vier Frauen inklusive der Bürgermeisterin – unmöglich.

„Wir wollen keine Familiendynastien im Rathaus“ zitiert die NOZ einen. Ein anderes Ratsmitglied formuliert es so: „Man möchte einfach nicht, dass zentrale Fragen für die Zukunft der Stadt künftig an deren Frühstückstisch getroffen werden.“

Gleichzeitig heißt es plötzlich, man müsste vielleicht auch über den Stellenzuschnitt noch einmal nachdenken – für eine sauberere Abgrenzung sorgen, das Gewicht weniger auf die verwaltungsjuristische Erfahrung legen. Das Besetzungsverfahren wird also abgebrochen, eine Neuausschreibung in Aussicht gestellt.

Das hält nun allerdings die Bewerberin auf diese A15-Stelle für eine Ausrede. Sie klagt dagegen vor dem Verwaltungsgericht und erwirkt mit einem Eilantrag, dass die Stelle nicht neu ausgeschrieben werden darf.

Das Verwaltungsgericht gibt ihr in wesentlichen Punkten recht und verpflichtet die Stadt, das abgebrochene Verfahren wieder aufzunehmen (3 B 63/21). Aus den Niederschriften der nicht-öffentlichen Verwaltungsratssitzungen ergibt sich für das Gericht eindeutig, dass der neue Stellenzuschnitt nur vorgeschoben war, um das Ganze „gerichtsfest“ zu machen.

Es hätte von Anfang an klar sein müssen, dass die Familienverhältnisse kein zulässiger Grund sind, die Bewerberin abzulehnen. Die Bürgermeisterin hätte gegen die rechtswidrige Verweigerung des Einverständnisses durch den Verwaltungsausschuss kommunalrechtlich vorgehen müssen, schreibt das Gericht.

Erhitzte Gemüter beruhigen

Die Bürgermeisterin möchte sich dazu erst einmal nicht äußern. Am Mittwochabend, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, tagt der Verwaltungsausschuss erneut und muss dann sehen, wie er mit dieser juristischen Ohrfeige umgehen will.

Vermutlich werde man erst einmal Beschwerde gegen den Beschluss einlegen, um Zeit zu gewinnen und sich juristischen Rat einzuholen, sagt ein Ausschussmitglied. Dann werde man eben einen Weg finden müssen, wie man mit dieser Situation jetzt umgehe. Dazu müssten sich ja vielleicht auch erst einmal die erhitzten Gemüter beruhigen.

Möglicherweise, heißt es hinter vorgehaltener Hand, gehe es hier ja auch gar nicht mehr so sehr um das befürchtete Power-Paar im Rathaus als vielmehr um eine Machtprobe zwischen Verwaltung und Politik. An den gesetzlichen Grundlagen dürften sich dabei allerdings beide nicht vorbeimogeln.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!