: Persilschein für die Eltern
■ betr.: „Pillen für Staat und Sieg“ etc., taz vom 9.10. 97
Nichts gegen eure Seite-3-Geschichte über die Dopingtrainer. Die müssen sich endlich wegen Körperverletzung verantworten. Aber warum folgt ihr dem allgemeinen Trend und meidet ein Thema wie der Teufel das Weihwasser: die Verantwortung der Eltern. Seit die Debatte läuft, ist die Frage tabu. [...]
Es ist doch Blödsinn, daß Eltern nichts gewußt haben. Wem wollen sie das weismachen, daß sie die monströsen Muskeln und tiefen Stimmen bei den kleinen Mädchen für normal und eine Folge des Trainings gehalten haben. Auch ohne den Verdacht von Doping hätten sie dann aber die Konsequenzen ziehen müssen und ihre Kinder den ordensgeilen Trainern wegnehmen müssen. Daß sie es nicht getan haben, beweist entweder Gleichgültigkeit oder Einverständnis mit der Ordens- und Privilegiengeilheit der Trainer. Vermanschter Körper und gequälter Geist wurden als Risiko hingenommen. Das war nicht nur für Gedopte der Preis für Reisen, Wartburg, Lada und/oder Häuschen. Hinter den prominenten Superathleten steht eine große Zahl von Körperverletzten. Zerschundene Sportopfer. Die vorsätzlich zerschlissenen Hüften, Kniescheiben und Wirbelsäulen kommen jedoch nur wenig in die Öffentlichkeit. Sind sie etwa kein Skandal?
Der Staat hat die Eltern nicht gezwungen. Sie konnten den Hochleistungssport ablehnen und aussteigen. Niemand hat den Kindern im Falle der Verweigerung verboten, für wenig Geld und nur nach dem Spaßprinzip in den Betriebssportgemeinschaften weiterzutrainieren.
[...] Wenn die (übrigens merkwürdig stillen) Eltern schon nicht wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht mit auf die Anklagebank müssen, dann sollten sie wenigstens in der öffentlichen Debatte nicht noch klammheimlich als Mitopfer bemitleidet werden. Ingo Preusker, Berlin
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