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Performative PolitikSelektive Gedenkarbeit

Nicht alle sind für den Staat eines Gedenkens würdig. Was ist mit denen, die durch ihn getötet wurden? Das fragen Betroffenenverbände bei einer Kundgebung.

Zum Gedenken an den 20. Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh, der bei einem Feuer in einer Polizeizelle starb

Berlin taz | Wen sollte der Staat als Opfer von Terrorismus anerkennen? Diese Frage ist Auslöser für viel Wut und Enttäuschung bei Betroffenenverbänden. Ihre Wut bringen sie in Form einer Kundgebung zum Ausdruck. Das bundesweite Solidaritätsnetzwerk für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, welches aus verschiedenen Initiativen besteht, hat am Dienstagmittag auf der Berliner Jungfernbrücke diese „Ergänzungskundgebung“ mit circa 30 Teilnehmenden organisiert.

Sie sehen ihre Aktion deshalb als ergänzend an, weil im Gebäude nebenan die offizielle Gedenkstunde des Bundesopferbeauftragten für die Opfer von Terrorismus stattfindet, auf der sie nicht alle eingeladen sind. „Die Einladungspolitik ist sehr intransparent. Es werden nicht alle Hinterbliebenen und Angehörige von Opfern eingeladen“, so Yamin Hamid, Pro­jekt­ko­or­di­na­to­r:in von Tekiez zur taz.

Tekiez, so heißt der neu eingerichtete Ge­denk­ort in Halle, der vor dem Anschlag im Oktober 2019 der Imbiss namens „Kiez-Döner“ war. „Es ist nicht klar, warum mache eingeladen werden und manche nicht“, kritisiert Hamid. Auffällig sei allerdings, dass besonders Opfer rechter Gewalt und diejenigen, die durch Polizeigewalt ums Leben kamen, von der Gedenkveranstaltung ausgeschlossen wurden, so heißt es auf der Kundgebung.

Auf welche Definition von terroristisch wird sich bezogen, fragen die Or­gani­sator:in­nen? Viele der Angehörigen und Überlebenden aus dem Netzwerk fühlten sich von der offiziellen Gedenkveranstaltung ausgeschlossen. Die meisten seien nicht einmal eingeladen worden, teilweise sei ihnen die Teilnahme sogar aktiv verwehrt worden.

„Wer soll aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden?“

Es gibt nur ein Transparent. Auf dem stehen bereits alle Forderungen des Netzwerks: die Gleichstellung und Anerkennung aller Opfer von Terrorismus, orientiert an den Maßstäben und Bedürfnissen der Betroffenen und Angehörigen.

Passend zu dieser Forderung spricht Saliou Jalloh, der Bruder des in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh, auf der Kundgebung und fragt: „Wessen Namen werden hier genannt? Wessen Tod wird hier überhaupt anerkannt? Und wer soll aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden?“ Diese Aussage trifft den Kern des Anliegens der Ver­an­stal­ter:in­nen.

Eine Erklärung, warum die Einladungen so selektiv sind, taucht ebenfalls in dem Redebeitrag von Jalloh auf: „Die Regierung erinnert an die Opfer rechten Terrors. Doch was ist eigentlich mit denen, die durch den Staat getötet wurden? Was ist mit denen, die durch Polizeigewalt auf den Straßen, in Polizeizellen oder im Gefängnis sterben?“

Hier nennt Yamin Hamid das Beispiel von Burak Bektaş, um zu verdeutlichen, wie der Staat Aufklärungsarbeit verschleppt oder nicht angeht. Im Fall von Bektaş, der in der Nacht vom 4. auf den 5. April in Neukölln von einem Unbekannten erschossen wurde, liegt mutmaßlich ein rechtes Motiv vor. Daher fordern sie die Aufklärung und Konsequenzen bei jeder Art von rechter Gewalt.

Umfassende Hilfe und Aufklärung gefordert

Darüber hinaus die Bereitstellung von unbürokratischen, schnellen und kontinuierlichen finanziellen Mitteln durch den Staat und seine Institutionen für psychologische Hilfe. Ebenfalls wollen sie die Entschädigung und Unterstützung der Betroffenen ohne langwierige und demütigende Verfahren.

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