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■ QuerspaltePence für Petzen?

„This is Colin Hamilton with the BBC- News“ ... Aus dem Land der Kampagnen („Kill the Krauts“) kommen jetzt inspirierende Radiomeldungen! Mit Belohnung darf dort rechnen, wer „Sozialbetrüger“ bei den Behörden anschmiert.

Das ist wirklich neu. Ging es einst nur darum, die Nachbarschaft nach Bombenschmeißern abzugrasen, so ist die Nachfrage nach Petzen inzwischen gestiegen, denn durch „Sozialbetrug“ fliegt weitaus mehr in die Luft als ein paar abgefuckte Kasernen samt Inhalt in Guterslow, Herford und Osnabruck. Und muß nicht jeder einsehen, daß dieser Plan viel konstruktiver ist, um den maroden britischen Staatssäckel ein wenig zu entlasten? Ohren gespitzt also, die Herren Blüm und Seehofer: Fühlen Sie sich nicht angesprochen?

Seien wir ehrlich: Potentielle TerroristInnen zu verpetzen ist mühsam und zudem obsolet und höchstens noch als Schnitzeljagd für Dreijährige eine Attraktion. Die letzten Exemplare der Gattung „Hau den Helmut“ und „Würg den Waigel“ sitzen entweder in Stammheim oder sind zum Orden „Schwestern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ konvertiert. „Chaoten“ anzuschwärzen ist hingegen viel zu einfach: „Herr Wachtmeister, das Altersheim ist voller Punks, die haben nämlich alle so 'ne komische Haarfarbe ...“ Sozialhilfeabzocker anzuscheißen, in Nachbarschaftshilfe sozusagen, erwischt viel mehr kriminelle Elemente und sät das Mißtrauen zwischen Herrn Zwirnkote und Frau Erbsen-Zähl.

Die Idee ist zudem ausbaufähig: Da bezieht einer Pflegegeld der Stufe III, ist aber für zehn Minuten auf dem Balkon gewesen, anstatt seine Schwiegermutter rund um die Uhr zu pflegen! Der gehört doch eingesperrt, der Betrüger! Zusammen mit dem Typ, der, obwohl krankgeschrieben, beim Abtrocknen geholfen hat! Und dann die ganzen Arbeitslosen: Ich hab' genau gesehen, wie der Gottfried der Emma fünf Mark in die Hand gedrückt hat, weil sie ihm die Lampe im Wohnzimmer angeschlossen hat! Hab' ich gesehen, ehrlich. Krieg' ich jetzt das Kopfgeld? Suzanne Barkawitz

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