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Pazifismus

■ betr.: „Ein Grüner auf die Hardt höhe“ von Bernd Rheinberg, taz vom 10. 8. 98 , „Für einen moder nen Pazifismus“ von Angelika Beer, taz vom 12. 8. 98

[...] Ein ehemaliger Berater für Kriegsdienstverweigerer fordert, daß die Grünen ihren antimilitaristischen Grundkonsens aufgeben und der nächste Verteidigungsminister ein Grüner wird. Irgendwie sträubt sich da bei mir alles. Er fordert, daß die drei verschienenen Formen des linken Pazifismus ihren Frieden mit der Bundeswehr machen: Also, Linke in die Bundeswehr! Genau das hat Rühe auch gefordert, als die rechtsradikalen Tendenzen in der Bundeswehr an die Öffentlichkeit kamen. Es sind nicht nur die Dogmatiker, die die Bundeswehr in der Tradition der Wehrmacht sehen, es ist dies die Bundeswehr selbst, siehe Traditionspflege und die Namensgebung verschiedener Kasernen. Das Argument, daß das Militär für Demokratie und Freiheit eingesetzt werden sollte, ist ja wohl der Gipfel für jeden Kriegsdienstverweigerer. Wessen Freiheit soll hier die Bundeswehr denn schützen?

Daß die „öffentlichen Gelöbnisfeiern der Bundeswehr wenig Begeisterung in der Bevölkerung auslösen“, ist blanker Zynismus. Wie öffentlich diese Gelöbnisse sind, haben wir ja am 10. 6. dieses Jahres in Berlin gesehen! Desweiteren ist es absoluter Quatsch, daß die Bundeswehr ihre Soldaten auf die zivilen Werte und das Grundgesetz verpflichtet. Darauf werden sie eben genau nicht verpflichtet, sondern lediglich auf das „Recht“ und die „Freiheit“ des deutschen Volkes (siehe Eidesformel), kein Wort vom Grundgesetz! Diese ideellen Werte sind deshalb auch nicht einklagbar. Wem ist die Bundeswehr nun also verpflichtet? [...] Maximilian v. Demandowsky,

Berlin

Ich hatte den Eindruck, daß Angelika Beer nicht besonders fair mit Bernd Rheinberg umgeht – denn der polemisiert gerade nicht gegen Bundeswehrkritiker, sondern mahnt eher freundlich ein bißchen mehr Flexibilität an: Alle vernünftigen Kritikpunkte an dieser Armee – ich teile sie übrigens – (...) nennt auch er.

Daß er sich allerdings gegen den Vorwurf an die Bundeswehr, sie stehe immer noch in der Tradition der Wehrmacht wendet, ist offenbar bitter nötig. Kein grünes Mitglied käme heute noch mit diesem veralteten Militarismusvorwurf, behauptet zwar Angelika Beer, beweist aber durch ihre eigenen Worte das Gegenteil: Nationale Interessenpolitik (also Imperialismus), sogar „gewollte Defizite“ in punkto Rechtsradikalismus infolge der „politischen Bildung und nicht zuletzt der Traditionspflege“, wirft sie der Armee vor, halt die gängigen Antifasprüche.

Was mich an der ganzen Diskussion wirklich wütend macht, ist ihr Narzißmus. Es gibt im Moment Wichtigeres als das – zugegeben mangelhafte – Demokratiepotential der Bundeswehr. Seit Jahren herrscht Krieg auf dem Balkan, ein Krieg hauptsächlich gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung, die militärische Hilfe aus Westeuropa ersehnt hat. Ich finde es peinlich, wenn die Grünen jetzt den Bosnien-Einsatz im nachhinein gutheißen, über den Kosovo aber schweigen. Offenbar schielt man dabei auf deutsche Wähler, vergißt aber schon wieder die Menschen, um die es geht. Und es ist geradezu zynisch, wenn Angelika Beer immer noch für „Strategien zur zivilen Konfliktbearbeitung“ plädiert, während die jugoslawische Führung zum zweiten Male nach Bosnien jetzt im Kosovo Verhandlungsbereitschaft vortäuscht, um in Ruhe weiter morden und vertreiben zu können. [...] Martin Schönemann, Bremen

[...] Die Grünen haben sich eingelassen auf Staat und Parlament, sind eine parlamentarische Partei und nicht alte, neue soziale Bewegung. Es hat diese soziale Bewegung gegeben, weil die Leute ein politisch erreichbares Ziel vor Augen hatten. Wer aber heute als Parlamentsabgeordnete nur die damaligen Forderungen repräsentiert und sich dabei auf eine so derzeit nicht mehr bestehende Bewegung beruft, verkauft gerade jene für dumm, die damals mitgemacht haben und heute ihre politischen Ziele den geänderten Realitäten entsprechend anders formulieren [...]. Dazu ist eine realitätstüchtigere Einschätzung der Bundeswehr nötig. Ihr Initimität mit Verteidigungsminister Rühe zu unterstellen ist kindisch. [...]

Es geht für die grüne Politik nicht darum, den Gründungskonsens der Gewaltfreiheit aufzuheben, sondern so politikfähig zu gestalten, daß sich überhaupt etwas verändern läßt mit den Politikmitteln, die einer Parlamentspartei zur Verfügung stehen. Und es sind derzeit auch die wirksamsten Mittel, etwas zu verändern. Denn wir brauchen derzeit demokratisch legitimierte militärische Macht, um in Gewaltsituationen gewaltunterdrückend einzugreifen. Also müssen wir uns darum kümmern, wie unsere staatlichen Gewaltapparate beschaffen sind, ob sie international eingebunden sind, selber demokratisch strukturiert etc. Der Verweis von Angelika Beer auf die grüne Untersuchung über rechte Tendenzen in der Bundeswehr geht insoweit an diesen Aufgaben vorbei, als er mehr dazu dient, die Reputation der Bundeswehr insgesamt in Frage zu stellen, anstatt Maßnahmen vorzuschlagen, sie für einen internationalen, europäischen und demokratischen Friedensdienst tauglich zu machen. [...] Eine Politik gegen die Ursachen von Gewalt heißt nicht notwendig Verzicht auf Gewaltunterdrückung. [...] Burkhart Braunbehrens,

Ebertsheim

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