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Paypal setzt US-Embargo durchBremer Sendesaal tilgt „Kuba“ aus Konzertankündigung

Wer Konzerte mit kubanischer Musik veranstaltet, muss mit Sperrung des Paypal-Kontos rechnen. Der Konzern setzt rechtswidrig ein Handelsembargo durch.

Mal eben Geld überweisen? Mit Paypal ein politisches Risiko Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Am Freitag tritt im Bremer Sendesaal die „mittelamerikanische Sängerin Olvido Ruiz Castellano“ auf. So heißt es auf der Website des Konzerthauses. Im gedruckten Programmheft hingegen steht, aus welchem Land sie stammt: aus Kuba. Kein Zufall. Vor vier Wochen ist genau dasselbe bei einem anderen kubanischen Musiker, der im Sendesaal auftrat, passiert.

Der Grund: das seit 1960 in wechselnder Ausgestaltung bestehende US-Handelsembargo gegen den sozialistischen Staat, das den Handel zwischen den beiden Ländern stark einschränkt und teilweise ganz verbietet.

Durchgesetzt wird dieses in Europa über den Online-Bezahldienst Paypal, der zwar seinen Hauptsitz in den USA hat – die Geschäfte in Europa aber über ein Tochterunternehmen in Luxemburg abwickelt. Dennoch behauptet der Konzern, „in Deutschland keine Zahlungsdienstleistungen in Bezug auf kubanische Waren oder Dienstleistungen erbringen“ zu dürfen.

So hatte Papayl 2016 vor dem Landgericht Dortmund argumentiert, als ein Ticketunternehmen erfolgreich auf eine einstweilige Verfügung geklagt hatte. Zuvor hatte Paypal diesem das Konto gesperrt, weil es Tickets für das Musical „Soy de Cuba“ sowie für Konzerte einer kubanischen Sängerin vertrieben hatte.

35 Millionen Paypal-Konten in Deutschland

Die Kontosperrung war rechtswidrig, entschied das Landgericht Dortmund. Zur Begründung schreibt es: „Die Anwendung US-amerikanischer Blockadegesetze in Deutschland verletzt nicht nur geltende Handelsprinzipien, sie gefährdet auch die Existenz hiesiger Gewerbetreibender und benachteiligt Konsumenten.“

Zudem habe die Europäische Union 1996 eigens eine Verordnung erlassen, um europäische Unternehmen und Ver­brau­che­r:in­nen vor „den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte zu schützen“. Davon abgesehen sei nicht ersichtlich, dass überhaupt mit „Waren oder Dienstleistungen aus Kuba“ gehandelt wurde.

Paypal ficht das nicht an. Egal ob es um Zigarren, Musik, Schokolade oder ein Futtermittel („kubanische Asseln“) geht: Bei Geldtransfers mit Kuba-Bezug sperrt der Konzern Konten oder verweigert Überweisungen.

2020 hatte netzpolitik.org, ein Online-„Medium für digitale Freiheitsrechte“, einen Fall geschildert, bei dem jemand Geld überwiesen hatte mit der Betreffzeile „Cuba Libre and more“. Es ging um einen Longdrink. Dem Dortmunder Tickethändler, heißt es auf netzpolitik.org, hatte Paypal nach dem Urteil das Konto gekündigt.

PayPal nimmt seine regulatorischen und gesetzlichen Verpflichtungen sehr ernst

PR-Agentur

Umgehen kann man das Problem, indem man kein Paypal nutzt. Für Konzertveranstalter ist das schwierig wegen des Quasi-Monopols. 35 Millionen Paypal-Konten gibt es laut Handelsblatt in Deutschland, 32 Millionen sollen private Nut­ze­r:in­nen sein.

Die andere Möglichkeit: so zu tun, als habe ein Konzert nichts mit Kuba zu tun, also in Ankündigungen jemand zum Beispiel als Mittelamerikanerin bezeichnen. Analog wäre etwa Herbert Grönemeyer ein europäischer Musiker. Dabei wäre das vermutlich sogar noch weniger problematisch, weil „kubanische Musik“ anders als „deutsche“ oder „dänische Musik“ eine Marke ist – und damit ein Verkaufsargument.

Der neue Leiter des Bremer Sendesaals, Marc Niemann, möchte sich nicht zu seiner Entscheidung äußern, den Begriff „Kuba“ aus der Ankündigung zu tilgen. „Der Sendesaal arbeitet seit vielen Jahren gut und vertrauensvoll mit paypal zusammen“, schreibt er in einer Mail, und weiter: „Wir haben kein Interesse, mit Ihnen zu diesem Thema ins Gespräch zu kommen und können keinen Beitrag zu Ihren Recherchen leisten.“

Die taz hat daraufhin die Elbphilharmonie in Hamburg gefragt, wo regelmäßig kubanische Mu­si­ke­r:in­nen auftreten. Der Pressesprecher des Konzerthauses schreibt, es habe bisher keine Probleme mit Paypal gegeben. Bewerten möchte er das Verhalten des Zahlungsdienstleisters nicht, weitere Fragen lässt er unbeantwortet.

Paypal beantwortet keine Nachfragen

Ganz anders reagiert hingegen Kampnagel in Hamburg. Die Pressesprecherin der Spielstätte schreibt der taz in einer Mail, auch sie hätten einen solchen Fall noch nicht gehabt. Sollte ihnen allerdings ähnliches widerfahren wie dem Bremer Sendesaal, würden sie dies „öffentlich kommunizieren – und damit versuchen, auf das Verhalten unserer Kun­d:in­nen Einfluss zu nehmen und sie nach Möglichkeit dazu zu bewegen, diesem Provider nicht mehr ihr Vertrauen zu schenken“.

Unklar bleibt, wie es zu dieser Ungleichbehandlung kommt, ob das Unternehmen Ausnahmen macht für besonders umsatzstarke Kunden wie die Elbphilharmonie oder ob es technische Lösungen gibt. Paypal lässt die Fragen der taz von einer PR-Agentur beantworten.

Die mailt: „PayPal nimmt seine regulatorischen und gesetzlichen Verpflichtungen sehr ernst und stellt sicher, dass Transaktionen auf unserer Plattform mit allen geltenden Gesetzen übereinstimmen.“ Nachfragen dazu, inwiefern Paypal die deutsche und europäische Gesetzgebung berücksichtigt, werden nicht beantwortet.

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