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Pausbäckiger Charme

■ Das Comic-Kollektiv zeigt DDR-Comics aus 40 Jahren

Comic – das ist für die meisten ein Synonym für die westliche, kapitalistische Welt. Die bekanntesten Comicfiguren verstehen sich geradezu als nationale Superzeichen: der Ur-Amerikaner Dagobert Duck und sein Verlierer-Neffe Donald, die Gallier Asterix und Obelix oder der belgische Naseweis Tim und sein treuer Hund Struppi. Doch auch der deutsche Sozialismus hatte seine typischen Helden. Eine Ausstellung im Comic-Kollektiv will nun auch uns diese „Ost-Stars“ näherbringen.

Vom Westen unbemerkt entwickelte sich ab 1955 in der „Zone“ eine eigene Comicszene. Drei Titel brachten es „drüben“ zu großem Bekanntheitsgrad: Mosaik, Atze und Frösi (“Fröhlich sein und Singen“). Von diesen „Bildergeschichten“ überlebte nur Mosaik, alle anderen wurden mangels Auflage eingestellt. Grund dafür waren nicht nur die neuen Westprodukte, sondern auch die unpopulär gewordenen Themen der Bildergeschichten. Denn wie es sich für einen richtigen National-Comic gehört, handelten die DDR-Figuren stets in Übereinstimmung mit der Staatsphilosophie. Dort, wo Tick, Trick und Track die Mechanismen des freien Marktes veranschaulichen, zeigen die Mosaik-Helden Dig und Dag, wie sich ein guter Junge im sozialistischen Staat verhält. Er muß Autoritäten akzeptieren, kennt sich mit Technik aus, verfügt über moralische Integrität und Einsicht in manche Schikane: „Was du nur dauernd zu nörgeln hast, Dag! Das ist ein Mittel, um uns zur Gemeinschaft zu erziehen.“

Auch die anderen Bildergeschichten – stets mit dickem Strich gezeichnet und oft mit pausbäckigem Sandmännchen-Charme versehen – unterstützten das sozialistische Geschichtsbewußtsein und das Zurechtfinden im Arbeiter- und Bauern-Staat. Schauplatz ist meist der Alltag, selten steht die Kulisse der staatsbürgerlichen Erziehung im Aus- oder Märchenland. Bei allen Comics fällt auf, daß die pädagogisch motivierten Zeichnungen nur für männliche Mitglieder der Gesellschaft gedacht ist. Frauen und Mädchen kommen in den Geschichten schlicht nicht vor.

Die Idee für diese Ausstellung hatten die Brüder Knüppel schon lange. Werner Knüppel meint, daß im Vergleich zu BRD-Produktionen vieles vom „alten DDR-Zeugs besser war“. Dem schließen sich offensichtlich einige Sammler an, die erste Ausgabe von Mosaik kaufte ein Hamburger für 1.500 Mark.

Greta Eck

Comic-Kollektiv, Fruchtallee 130; noch bis zum 27.Oktober.

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