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■ Pathetischer Patriotismus in SerbienJugoslawiens Hauptstadt hält den Atem an

Belgrad (taz) – Wie auf Kommando überfluten führende serbische Politiker das Land mit patriotisch-pathetischen Erklärungen, als ob sie erst plötzlich entdeckt hätten, daß heute in Rambouillet über Krieg und Frieden in Serbien entschieden wird. „Wir sind entschieden gegen die Stationierung irgendwelcher ausländischer Truppen im Kosovo. Einen solchen Akt würden wir als Aggression auf die jugoslawische Souveränität und territoriale Integrität betrachten und dementsprechend reagieren“, sagte der Sprecher der regierenden Sozialistischen Partei Serbiens, Ivica Dacić. Der serbische Parlamentpräsident Dragan Tomić bestätigte die kämpferische Haltung, denn die „Ursache aller Probleme“ im Kosovo sei „der albanische Terrorismus und Separatismus“ und nicht die legalen Bemühungen Serbiens, Ordnung in seiner Provinz zu schaffen.

Um fünf vor zwölf erwacht Serbien aus der bisherigen unnatürlichen Ruhe. Die Botschaften der USA, Kanadas und Großbritanniens in Belgrad haben vorsichtshalber Personal abgezogen und die Konsulate geschlossen, was in Jugoslawiens Hauptstadt sofort die Runde machte. Andere EU-Staaten zögerten noch.

Serbische regimenahe Medien wiederholen ständig die muteinflößende Erklärung des russischen Präsidenten Boris Jelzin, Rußland würde nicht zulassen, daß der Kosovo „angerührt“ wird und „basta!“. Dramatische Telegramme diverser Provinzgemeinden und Fabriken zur Unterstützung der „tapferen und klugen“ Politik der jugoslawischen und serbischen Regierung werden vorgelesen. „Serbien ist keine Handvoll Reis, das von einer hergeflogenen Krähe aufgepickt werden könnte!“ so eine kreischende Mädchenstimme im staatlichen Radio bei einer Straßenumfrage über die Kosovo- Verhandlungen. Andere begrüßten den Kampf Serbiens gegen den US-Hegemonismus, denn das serbische Verhandlungsteam würde in Rambouillet nicht nur für Kosovo ringen, sondern für die „grundlegenden Prinzipien der UN“, die von Amerika schändlich mißachtet würden.

Wieder einmal warten serbische Bürger darauf, daß ihnen Nato-Bomben auf den Kopf fallen. Trotz der auserlesenen heroischen und kriegerischen Aussagen von Politikern und Menschen auf der Straße hofft man auf das erlösende Wort Milošević' in letzter Sekunde.

Nur wenige in Serbien sehen ein, daß so oder so die Wende naht. Kapituliert die Staatsführung im letzten Augenblick, wird das Kosovo als Teil des international anerkannten Jugoslawien zum Protektorat unter unbestimmter Leitung von EU, Nato, Kontakt-Gruppe, OSZE, UNO – eine völkerrechtlich unbekannte Situation. Kommt es aber zum Luftangriff, so ist auch das völkerrechtliches Neuland und man kann ab sofort vom „dritten Jugoslawien“ als etwas Vergangenem sprechen. Andrej Ivanji

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