Parteitagswochenende in Schleswig-Holstein: Dickschiffe auf Piratenkurs

CDU und SPD setzen auf Politik zum Mitmachen, wollen mehr Internet-Diskussion und Kandidaten zum Anfassen. Bei CDU und SSW ging es auch ums Personal.

Arbeitssieg für Jost de Jager: Für den neuen CDU-Spitzenkandidaten gab es darum nur verhaltenen Applaus. Bild: dpa

KIEL taz | Die CDU inthronisierte. Die SPD redete. Der SSW ging auf Kurs. Gleich drei Parteitage am Wochenende zeigten, dass Schleswig-Holstein endgültig in den Vorwahlkampf für die Landtagswahl im Mai gestartet ist. Dabei wollen gerade die großen Parteien neue Wege gehen. Es soll mehr Politik zum Mitmachen, Kandidaten zum Anfassen und Programmdebatten im Internet geben. Während die SPD mit einem "Bürgerparteitag" in Rendsburg zeigte, wie sie sich das vorstellt, ging es bei CDU und SSW um Personalfragen.

Die Christdemokraten feierten eine Krönungsmesse mit gedämpften Tönen für ihren neuen Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Jost de Jager. Auf Musik und Fähnchen verzichtete die Partei bei ihrem Sonderparteitag in Kiel. Dieser war fällig, nachdem der frühere Spitzenmann, Christian von Boetticher, wegen der Affäre mit einer 16-Jährigen zurückgetreten war.

De Jager stand schnell als einziger Bewerber fest. Der amtierende Wirtschaftsminister wurde mit 93 Prozent gewählt, nur zwölf der 258 Delegierten stimmten gegen ihn. Beifall gab es nur mäßig - ein Arbeitssieg für den Kandidaten, der bisher eher durch Zuverlässigkeit am Kabinettstisch als durch Charme überzeugte.

Er wurde 1965 in Rendsburg geboren, wo er noch heute mit Frau und Tochter wohnt.

Er studierte in Kiel Geschichte, Englisch und Politik, ging für ein Jahr nach Belfast, volontierte dann beim evangelischen Pressedienst in Kiel, ist also ausgebildeter Journalist.

Dem Landtag gehört er seit 1996 an, kümmerte sich um Bildungs- und Hochschulfragen.

Unter der großen Koalition war er Staatssekretär, musste aber lange auf den Posten in der ersten Reihe warten.

Heute gilt der Wirtschaftsminister als einer der "Leistungsträger" der aktuellen schwarz-gelben Regierung: Politische Freunde loben, dass er verlässlich und faktensicher ist und bereit steht, wenn es es gilt, unangenehme Entscheidungen durchzusetzen.

Tim Hollmann, CDU-Kreisvorsitzender aus Dithmarschen, versuchte es launig: "Sind die Umfragen auch noch so mager, Ministerpräsident wird Jost de Jager!" Der 46-jährige gelernte Journalist de Jager versprach: "Ich setze auf Sieg." Er hielt seine Rede frei, betonte die Rolle der CDU als "Schleswig-Holstein-Partei", die sich vor schwierigen Aufgaben wie der Haushaltskonsolidierung nicht "in die Büsche drückt" und streifte alle Politikfelder von Straßenbau bis Schule.

Die CDU sei die "Partei des ländlichen Raums", müsse aber auch "Antworten auf die Fragen in den Städten finden" - schon seine Vorgänger, der heutige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Christian von Boetticher, hatten versprochen, die Partei attraktiver für Städter und jüngere Frauen zu machen.

Wie de Jager das konkret schaffen will, ließ er offen. Vielleicht weiß die Basis Rat: Jost de Jager setzt auf "innere Demokratie" und will das Wahlprogramm im Internet diskutieren, auch wenn "das Ergebnis anders sein könnte, als wir es wollen". Hinten im Raum murmelte ein Delegierter: "Piraten."

Debatten im Netz und Bürgerbeteiligung seien keine exklusiven Ideen der Internet-Partei, betonte der SPD-Spitzenkandidat und Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig am Rand des "Bürgerparteitages" in Rendsburg.

Albig, der nach einem parteiinternen Casting zum Spitzenkandidaten gewählt worden war, tourte im Sommer durchs Land und sammelte Themen. Die wichtigsten Thesen wurden in Rendsburg detailliert beraten. "Wir haben die Beteiligung zuletzt vernachlässigt", sagte Uwe Döring. Der Ex-Justizminister ist Mitglied jener Kommission, die das Wahlprogramm der SPD vorbereitet. Das wird nicht einfach, denn die Bürger, so Döring, müssten am Ende ihre Ideen auch tatsächlich im Programm finden: "Eine neue Politik ist erforderlich."

Das sahen die Juso-Mitglieder Felix Deutschmann und Merle Stöver genauso: "Dann kommen auch andere Meinungen", sagte Stöver, und Deutschmann erklärte: "Die Älteren treffen sich im Ortsverein, die Jüngeren bei Facebook." Dabei sei es möglich, die getrennten Debatten zu verbinden, freute sich SPD-Sprecher Amin Hamadmad: "Sie befruchten sich gegenseitig."

Einen klassischen Parteitag veranstaltete der Südschleswigsche Wählerverband SSW in Husum: Die Delegierten bestätigten Parteichef Flemming Meyer im Amt. Er kündigte an, dass die langjährige Landtagsabgeordnete Anke Spoorendonk erneut als Spitzenkandidatin ins Rennen geht.

Inhaltlich sprach sich der SSW gegen einen Nordstaat mit Hamburg und gegen eine Koalition mit der CDU aus.

Ansonsten ist aber alles offen, Grünen-Landeschefin Eka von Kalben erklärte, eine Zusammenarbeit sei sowohl mit Albig als auch mit de Jager denkbar: "Wir schließen keine Koalition aus."

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