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Parteitag der GrünenGrüne wollen mehr direkte Demokratie

Die Einführung von einem Referendum vor einem Parlamentsbeschluss soll für mehr Bürgerbeteiligung sorgen.

Haben gute Aussichten auf ein Bundestagsmandat: Manuel Sarrazin und Anja Hajduk. Bild: dpa

Hamburgs Grüne wollen die Mitwirkungsrechte der BürgerInnen stärken. Mit großer Mehrheit beschloss eine Landesmitgliederversammlung (LMV) am Sonntagnachmittag im Bürgersaal Wandsbek einen entsprechenden Leitantrag des Landesvorstandes. Darin heißt es unter anderem, dass die direkte Demokratie in Hamburg durch Referenden ergänzt werden solle.

Die Volksgesetzgebung in der Hansestadt sieht vor, dass BürgerInnen auf bezirklicher und stadtstaatlicher Ebene politische Vorhaben stoppen oder Beschlüsse einer Bezirksversammlung oder der Bürgerschaft mit einem Volksentscheid außer Kraft setzen können. Mit dem jetzigen grünen Vorstoß, eine Volksbefragung einzuführen, würde dieses Abwehrrecht um ein Initiativrecht ergänzt.

Dann könnten oder müssten Bürgerschaft und Senat die Wahlberechtigten schon im Vorfeld um Zustimmung für ein Großvorhaben bitten. Das wäre in jüngster Zeit denkbar gewesen bei der Frage der Rekommunalisierung der Energienetze. Statt in einem Volksentscheid am 22. September 2013 über die vom Senat geschlossenen Beteiligungsverträge mit den Konzernen Vattenfall und Eon abstimmen zulassen, wäre dann im Vorwege darüber abgestimmt worden, ob und welche Verträge der Senat schließen dürfe.

Strittig ist jedoch unter Fachleuten vor allem, welche Details einer Abstimmungsvorlage erfüllt sein müssen. Bei einem Referendum über den Bau der Elbphilharmonie 2006 hätte das Projekt kaum ein Chance gehabt, wenn die wahren Kosten damals schon bekannt gewesen wären. Andererseits ist noch unklar, ob Kostensteigerungen nach einer befürwortenden Volksbefragung erneute Referenden, auch mit der Möglichkeit eines Baustopps, nach sich ziehen dürfen oder können.

Zudem geben Kritiker wie der ehemalige Umweltsenator Alexander Porschke zu bedenken, dass eine kleine Partei wie die Grünen es dann noch schwerer hätte, „grüne Projekte demokratisch durchzusetzen“ oder „Projekte der demokratischen Mehrheit aus, sicher guten, grünen Gründen zu verhindern“. Nach dem die LMV zugestimmt hat, sollen nun die Feinheiten des Antrags erarbeitet werden.

Bei der Aufstellung der Liste für den Bundestag wurde die frühere Senatorin Anja Haujduk mit 159 von 191 Stimmen (78 Prozent) auf Platz eins nominiert. Die bisherige Spitzenkandidatin Krista Sager hat nicht erneut kandidiert. Auf Platz 2 setzte der Parteitag mit 88 Prozent den Bundestagsabgeordneten Manuel Sarrazin vor der Landesvorsitzenden Katharina Fegebank auf Platz 3 als potenzielle Nachrückerin.

Auf Platz 4 setzte sich der 21-jährige Maximilian Bierbaum von der Grünen Jugend in einer Kampfabstimmung im zweiten Wahlgang mit 73 Stimmen überraschend gegen den Bürgerschaftsabgeordneten Anjes Tjarks mit 58 Stimmen durch.

Hajduk, die bereits von 2002 bis 2008 Mitglied des Bundestags war, bevor sie Mitglied des schwarz-grünen Senats in Hamburg wurde, strebt ein Wahlergebnis von 15 Prozent im Bund und in Hamburg (2009: 15,6 Prozent) an. In der Hansestadt würde das wahrscheinlich erneut für zwei Bundestagsmandate reichen.

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4 Kommentare

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  • J
    join

    wieder die gleichen nasen.

    letztesmal mit ole :

    -keine elbvertiefung

    -kein kohlekraftwerk

    -primarschule unausgegoren durchboxen

    etc.etc.

    daraus folgt :

    die hamburger sind den berlusconi - italienern

    keineswegs unterlegen.

    "lass sie uns wählen, egal ob sie uns beschubst haben".

    doofste stadt der welt halt.

  • HG
    Holger Gundlach

    1. Es gibt Paralleluniversen. Beweis:

    a) Es gibt keinen beschlossenen Leitantrag

    b) Die taz und SVM sind seriös

    - sie berichten über den Beschluss

    ->der Beschluss existiert

    - es muss ein Paralleluniversum geben

    Q.e.d.

    2. Häufige Besuche in Paralleluniversen dürften auch die Ursache für den Glauben sein, dass Demokratie ein System / eine Methode / ein Regelwerk sei, das objektiv richtige / gute / am Gemeinwohl orientierte politische Entscheidungen gewährleiste. In unserem Hier und Jetzt ist es jedenfalls nicht so. Was Partikularinteressen sind und was dem Gemeinwohl dient, lässt sich wohl kaum allgemeingültig und objektiv festlegen. Wie bei allen politischen Entscheidungen ist auch die Festlegung, ob ein Vorhaben dem Gemeinwohl dient, abhängig von den der jeweiligen Entscheidung zu Grunde liegenden (individuellen) Werten, Annahmen, Abwägungen, Regeln pp. Dies gilt für "grüne Projekte" ebenso, wie für "Projekte der demokratischen Mehrheit". Insbesondere leuchtet das ein, wenn zwei Ziele, z.B: Wohnungsbau und Baumerhaltung, sich an einem Ort gegenseitig ausschließen. Auch am Beispiel Elbvertiefung wird wohl deutlich, dass Gemeinwohldienlichkeit nichts ist, was sich objektiv einfach so ergibt. Was gemeinwohldienlich ist wird politisch entschieden. Und Partikularinteressen sind doch nicht per se verwerflich. Aufgabe politischer Verfahren ist es deshalb nicht, gottgegebene Gemeinwohlinteressen zu verwirklichen, sondern einen Ausgleich zwischen den verschiedensten Partikularinteressen herbeizuführen. Und hierzu sind transparente Verfahren der BürgerInnenbeteiligung (mit wirksamen Informations- und Entscheidungsrechten auf allen Ebenen) bestens geeignet.

  • S
    Steveinho

    Schön, wenn man einen Artikel schon vor der betreffenden Veranstaltung schreibt. Aus Zeitgründen wurde der Leitantrag gestern abend nämlich gar nicht mehr befasst und auf eine spätere Versammlung vertagt. Aber um das zu erfahren, hätte ein Journalist ja vor Ort sein oder wenigstens mit einem Anwesenden sprechen müssen. Gut gemacht, Taz!

  • R
    Remsch

    Find ich gut. Hoffentlich gibt's dann eine Initiative, um die Elbe noch um zwei, drei Meter weiter zu vertiefen. In den letzten Umfragen waren ja für die aktuell geplante Vertiefung 64% dafür, 8% unentschlossen und nur 28% dagegen. Ob die Grünen dann auch wieder "Hurra, Volksentscheide" rufen werden? Oder gilt dann wieder, im Hinterzimmer wisse man besser, was für die Allgemeinheit gut sei? Man darf gespannt sein.