Parteitag der FDP: Macht die Westerwelle
Der Parteichef der Liberalen schränkt seine eindeutige Absage an eine Ampelkoalition vorsichtig ein - und wird mit sozialistischem Ergebnis im Amt bestätigt.
HANNOVER taz | Das Wort "Ampel" kam in der eineinhalbstündigen Rede des FDP-Vorsitzenden nicht vor. Doch ließ Guido Westerwelle auf dem Parteitag in Hannover keinen Zweifel daran, dass es ihn in eine Koalition mit der Union zieht - und nicht zu SPD und Grünen. Das stärkste Argument der FDP sei ihre Glaubwürdigkeit. "Kein Ministerposten kann so wichtig sein, dass wir unsere Prinzipien und Wähler verraten", rief Westerwelle in die Messehalle. "Bei den anderen weiß man nicht, woran man ist. Bei uns weiß man das."
Möglicherweise hatte zuletzt nicht jeder diesen Eindruck. Vor einer Woche schloss Westerwelle in einem Interview aus, nach der Bundestagswahl im September in eine rot-gelb-grüne Koalition zu gehen. Es werde "keine Ampel geben", sagte er da. Seither jedoch hat der Liberalenchef gewisse Türchen wieder in seine Stellungnahmen eingebaut: So sehe er etwa "keine Basis" für eine Ampel, sagte er kurz vorm Parteitag. Auch gaben andere FDP-Prominente vieldeutige Interviews, in denen die Beleidigung darüber eine Rolle spielte, dass die Union nicht freundlich genug sei. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bayerische Erfolgsliberale und Vizefraktionschefin, beklagte lediglich, die SPD mache "kein ernst zu nehmendes Angebot".
Erst kurz vor der Wahl will die FDP sich offiziell auf eine angestrebte Koalition festlegen. Möglicherweise sind dann ja auch die Umfragewerte zu Schwarz-Gelb eindeutiger. An der FDP liegt es nicht: Sie liegt gegenwärtig bei 14 Prozent und hat, wie Westerwelle am Freitag fröhlich ausbreitete, bei allen Wahlen der vergangenen zwei Jahre ihr Ergebnis verbessert.
Da kann man den Gegner auch mal schonen. Abgesehen von den rituellen Katastrophenszenarien unter dem Stichwort "Lafontaine" gab es in Westerwelles Parteitagsrede bloß einen einzigen Seitenhieb für die Grünen und ihr Europa-Wahlprogramm ("WUMS"). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekam nur insofern einen Vorwurf, als sie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) nicht unter Kontrolle bekomme, auf den sich allerdings Westerwelles besonderes Augenmerk richtete: Dieser ruiniere die deutsche Außenpolitik mit seinen Drohungen gegen die kleinen Nachbarländer, sie für ihre steuerrechtlichen Gepflogenheiten mit Kavallerie oder Peitsche zu bestrafen.
Steinbrücks Steuerpolitik bezeichnete Westerwelle als "staatliche Piraterie". Nur das Steuerkonzept der FDP entlaste die Mittelschicht, die von allen anderen Parteien verlassen sei. "Deutsche, befreit euch von dieser Regierung, sie ist schlecht für dieses Land", rief Westerwelle. Ein "niedriges, einfaches und gerechtes Steuersystem" sei die "Mutter aller Reformen".
Steuersenkungen sind auch im diesjährigen Wahlprogramm der Liberalen, das sie am Sonntag verabschieden wollen, der wichtigste Punkt. Die erst am Donnerstag veröffentlichte Steuerschätzung mit einem 316-Milliarden-Minus beeindruckt die FDP kaum. Die vorhergegangenen Schätzungen seien ohnehin zu optimistisch gewesen, erklärte in Hannover Finanzexperte Hermann Otto Solms.
Die ganze Finanzkrise fand bei Westerwelle nur insofern Erwähnung, als die FDP schon immer eine bessere Bankenaufsicht gefordert habe: "Wenn die Staatsaufsicht versagt, ist das kein Marktversagen, sondern Regierungsversagen", sagte er.
Ein bisschen Sozialismus gibt es aber sogar bei der FDP: Am Freitagabend wurde Westerwelle mit 95,8 Prozent der Stimmen für weitere zwei Jahre als Parteichef bestätigt - das beste Ergebnis, das er je bekommen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos