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Parteispitze der LinksparteiMachtkampf vertagt

Klaus Ernst hat sich durchgesetzt. Die Linkspartei verschiebt die Personaldebatte nach Gesine Lötzschs Rücktritt zunächst. Das beharrliche Schweigen von Lafontaine kommt derweil nicht gut an.

Hier ist die Linke - aber wer sitzt künftig auf den Vorstandsstühlen? Bild: dapd

BERLIN dapd | Nach dem Rücktritt der Vorsitzenden Gesine Lötzsch bahnt sich in der Linken ein Machtkampf um die Parteispitze an. Der Bundesvorstand der Linkspartei vertagte am Samstag allerdings zunächst die Personaldebatte. „In großer Einmütigkeit“ habe sich der Vorstand darauf verständigt, alle Kraft auf die anstehenden Wahlkämpfe zu setzen, teilte der Vorsitzende Klaus Ernst am Samstag in Berlin mit. Ernst hatte mehrfach für diesen Weg geworben. Vor allem Landespolitiker wehrten sich allerdings dagegen.

Einem Spiegel-Bericht zufolge wächst in der Partei der Unmut über das Schweigen von Oskar Lafontaine. Der saarländische Fraktionschef will erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai erklären, ob er im Juni wieder für den Vorsitz der Linken kandidieren wird. Die Vize-Vorsitzende Katja Kipping habe dies in einer Telefonkonferenz der linken Landeschefs als falsche Strategie kritisiert. Im Hinblick auf die Wahlkämpfe müsse zügig geklärt werden, mit wem die Partei in die Zukunft gehen wolle.

Auch der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, hält die Abhängigkeit von Lafontaines Entscheidung für fatal: „Eine Partei muss dafür sorgen, dass sie eigenständig agiert und nicht darauf wartet, was einer sagt.“ Bockhahn wendet sich gegen eine Rückkehr Lafontaines: „Wir brauchen keinen Erlöser.“ Die Linke solle „jetzt schon an übermorgen denken“ und sich „auf etwas jüngere Leute konzentrieren“.

Genervte Jugend

Die Jugendorganisation der Linken zeigte sich genervt von der Diskussion über die künftige Parteiführung. „Wir kritisieren, dass das Verfahren so intransparent geführt wird“, sagte die Bundessprecherin der Linksjugend Solid, Josephine Michalke. „Nicht einmal die eigene Mitgliedschaft weiß, wer kandidiert. Dadurch zieht sich die ganze Diskussion in die Länge.“ Das komme bei den Wählern nicht gut an, warnte sie mit Blick auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai.

Die Debatte über die künftige Parteispitze solle nun bald nach der Landtagswahl in NRW am 13. Mai detailliert geführt werden, hieß es am Samstag in Parteikreisen. Die Wahl steht auf dem Parteitag im Juni an. Alleiniger Kandidat ist nach dem Rückzug von Lötzsch derzeit Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch. Ernst lässt bislang offen, ob er noch einmal antreten will. Über eine erneute Kandidatur des früheren Parteichefs Lafontaine wird immer wieder spekuliert.

Verschiedene Strömungen berücksichtigen

Ernst erklärte zu dem Vorstandsbeschluss, die Menschen erwarteten Lösungsvorschläge für ihre Alltagssorgen. Die Linke biete Vorschläge etwa zur Abschaffung der Praxisgebühr, zur Erhöhung der Pendlerpauschale und zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns an:„Damit wollen wir im Wahlkampf punkten.“

Der Vorsitzende nannte es selbstverständlich, dass auch künftig eine Frau und ein Mann an der Spitze stehen müssten. Der Parteitag müsse aber darüber entscheiden, ob die Vorsitzenden weiterhin jeweils aus Ost- und Westdeutschland kommen sollten. Allerdings sollten die verschiedenen Strömungen berücksichtigt werden, und diese seien „mit Ost und West durchaus nicht unzutreffend beschrieben“, sagte Ernst.

Die schleswig-holsteinische Linke-Spitzenkandidatin Antje Jansen warb unterdessen für Lafontaine als neuen Parteichef. „Ich persönlich plädiere für die Kandidatur von Oskar Lafontaine, der als Gesicht der West-Linken auch unserem Wahlkampf hilft“, sagte sie der Bild am Sonntag. Die Partei sollte „schleunigst ein Signal geben, welche Kandidaten für ihre Führung zur Verfügung stehen werden“.

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2 Kommentare

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  • B
    Brandt

    @von Weinberg

     

    Wohl kaum. Das Zurückfahren der Minimalabsicherung im Wohlfahrtsstaat ist möglich geworden nach dem Ende des Realsozialismus in Osteuropa und Russland. Die Existenzberechtigung eines starken Wohlfahrtsstaates als Barrikade gegen die Revolution ist damit weg.

     

    Die EU ist ein wirtschaftliberales Projekt ohne gemeinsame Fiskal-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Die Standortkonkurrenz im gemeinsamen Währungsraum macht erzeugt eine ökonomische Logik, so dass an Wettbewerbsfähigkeit nur mit weniger Sozialstaat gewonnen werden kann.

     

    Parlamentarismus mit mehreren Parteien ist eine besondere Form kollektiver Entscheidungen. Das Entscheidungsverfahren lässt gewisse Entscheidungen realistisch oder unrealistisch werden. Wohlgemerkt es gibt einen Unterschied zwischen rational choice, social choice und public choice.

     

    So kann es sein, dass rational die Majorität unrecht hat, in einem Wahlverfahren (social choice) sich ein übler Kompromiss gewählt wird, der dann im Procedere der Institutionen ( public choice ) weiter verwässert wird.

     

    Die gegenwärtige Zeitgeschichte wird von historischen Trends einer dezentralisierten und digitalisierten Produktionsweise getragen. Eine besondere Rolle spielen dabei die global cities mit ihren Finanzzentren, die als Kommandohöhen fungieren.

     

    Reines Status-Quo Denken, Festhalten am Althergebrachten und Pramatismus - theorielose Praxis - wird kaum einen Lösungsansatz finden können.

     

    Typischerweise macht man mit Parteien, Medien und Gewerkschaften die Erfahrung, dass sie den Prozess ko-moderieren. Die Richtung und die Endstation wird nicht mehr angezweifelt. Hier und da will man auf dem Weg einen Zacken oder ein Päuschen mehr machen. Ankommen werden sie aber alle, weil sie im selben Boot sitzen: das ist geistig und praktisch gemeint.

  • W
    Weinberg

    Sind Bockhahn, Kipping und Co. die „Erlöser“, auf die die Mitglieder und WählerInnen der Linkspartei bauen?

     

    Jetzt werden Bartsch und seine HelferInnen wieder die Drähte zum SPIEGEL und zum Hause Springer zum Glühen bringen. Ob dies aber letztendlich zum Erfolg führt?