Parteispenden-Skandal in Finnland: Die Partei fest in der Tasche
Eine Gesellschaft "für regionale Entwicklung" sammelte illegal Spenden für Ministerpräsidenten Matti Vanhanen. Die Opposition fordert Neuwahlen.
STOCKHOLM taz Auf der jährlichen Rangliste der am wenigsten korrupten Länder rangiert Finnland seit Jahren auf Spitzenplätzen. Damit könnte es jetzt vorbei sein. Ein Skandal, bei dem es um zweifelhafte Spenden und die Umgehung des Parteienfinanzierungsgesetzes geht, erschüttert das Land. Aus der Opposition kommt nun die Forderung nach Neuwahlen.
Im Zentrum des Skandals steht die vor den Wahlen im vergangenen Jahr gegründete "Kehittyvien Maakuntien Suomi" (KMS). Eine Gesellschaft, die sich dem Namen nach um die regionale Entwicklung des Landes kümmern will. Die aber offensichtlich vorwiegend den Zweck hatte, in der Wirtschaft Wahlkampfspenden zu sammeln und unter dem anonymen KMS-Kostüm an ausgewählte ParlamentarierInnen weiterzuleiten. Und die, wie am Montag die Tageszeitung Helsingin Sanomat berichtete, noch dazu in der Zentrale der Zentrumspartei gegründet worden war - der Partei des Ministerpräsidenten Matti Vanhanen, die folgerichtig auch das meiste Geld aus dem Topf der KMS erhielt.
Laut Parteienfinanzierungsgesetz müssen alle ParlamentskandidatInnen Spenden ab 1.700 Euro mit dem Namen des Spenders dem Justizministerium melden. Die KMS-Spenden, rund 500.000 Euro, wurden vorwiegend in Paketen zwischen 10.000 und 20.000 Euro an ausgewählte PolitikerInnen vergeben, aber nicht gemeldet.
Das Ganze wäre vielleicht auch unentdeckt geblieben, hätte nicht einer der KMS-Organisatoren geglaubt, sich in einer E-Mail, die er an Geschäftsfreunde aus der Bau- und Grundstücksbranche verschickte, rühmen zu müssen, man habe die Zentrumspartei fest in der Tasche. Von dieser größten Regierungspartei sei eine wohlwollende Haltung zu den Geschäften der Branche zu erwarten. Die werden durch eine schon länger diskutierte Verschärfung von Bauvorschriften bedroht. Doch, so beruhigt der Mail-Verfasser, Ministerpräsident Vanhanen und andere führende PolitikerInnen hätten ihm versprochen, sich gegen solche Bestrebungen starkzumachen. Haben also die Spenden ihre Wirkung nicht verfehlt? Für fast 50 Prozent der Finnen hat das Vertrauen in die PolitikerInnen jedenfalls einen deutlichen Knacks bekommen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Zudem stellte sich heraus, dass mindestens ein Drittel der ParlamentarierInnen offen gegen die Bestimmungen des - sanktionslosen - Wahlfinanzierungsgesetzes verstößt und Spender einfach nicht benennt. Mit Begründungen wie "das geht die Wähler nichts an" und "entscheidend ist, dass ich ein gutes Gewissen habe" redeten sich die Ertappten vor der Kamera eines TV-Politikmagazins heraus, das diesen laschen Umgang mit dem Gesetz jetzt aufdeckte.
Wahlkämpfe in Finnland werden vorwiegend mit Spendengeldern finanziert. Bei den Wahlen 2007 öffnete die Wirtschaft besonders großzügig ihre Taschen für die jetzigen Regierungsparteien Zentrum und Sammlungspartei. Im Dezember letzten Jahres bemängelte bereits der Europarat die mangelnde Transparenz der Wahlkampffinanzierung. Antti Pihlajamäki, Vorsitzender der finnischen Sektion der Antikorruptionsorganisation Transparency International stellt das Land dabei auf eine Stufe mit Weißrussland und Bulgarien.
Mit der Begründung, das Vertrauen in das politische System sei erschüttert, haben die oppositionellen Christdemokraten nun Neuwahlen gefordert. Die Sozialdemokraten wollen am heutigen Dienstag beraten, ob sie sich dieser Forderung anschließen. Ministerpräsident Vanhanen erklärte inzwischen dazu: "Ich bin offen für eine Debatte über Neuwahlen."
REINHARD WOLFF
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