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ParteiquerelenGrüppchenbildung bei der FDP

Die Bremer FDP droht durch den Austritt ihres Ex-Parteichefs den Fraktionsstatus zu verlieren. Das bürgerliche Lager ist zu sehr mit Selbstzerfleischung beschäftigt, um die rot-grünen Schuldenkönige anzugreifen.

So weit ist es noch nicht. Aber wundern würds einen auch nicht, wenn die Polizei Ex-Parteichef Uwe Woltemath aus der Bremer FDP-Zentrale eskortieren müsste. Bild: dpa

Als große Stunde der Opposition gilt die Haushaltsdebatte. In Bremen aber blieb sie blass, trotz Rekordverschuldung - 1,1 Milliarden Euro zusätzlich nimmt das Land 2011 neu auf. Denn zu sehr sind Union und FDP im Zweistädtestaat damit beschäftigt, sich selbst zu zerfleischen. Mit Uwe Woltemath sorgte zwar ein Oppositionspolitiker für den großen Knall der Sitzungswoche - allerdings im Fernsehen statt im Landtag. Woltemath, bis April 2009 noch FDP-Landesvorsitzender und bis August Fraktions-Chef hat bei Radio Bremen am Dienstagabend angekündigt, die Partei zu verlassen.

Wann genau, ließ er auch gestern noch offen. Aber es läuft auf Anfang Januar hinaus. Denn dann soll sich die Bremer Bürgerliste gründen - mit der Woltemath bei der Landtagswahl am 22. Mai antreten will. "Man kann nicht zwei Dinge gleichzeitig tun", eröffnete er dem aus der Kika-Nachrichtensendung Logo bekannten "Buten un binnen"-Moderator Kim Adler. Arbeit für Bürgerliste und Mitgliedschaft in der Partei schlössen einander aus, so Woltemath, "das sehen die Statuen so vor". Sprachs und schickte noch eine Bestandsaufnahme hinterher: "Die gesamte Opposition hat sich zerlegt."

Den Eindruck hatten politische Beobachter schon länger, vor allem angesichts der Personalquerelen in der Bremer CDU. Zugleich hatte Woltemaths Äußerung jedoch auch etwas von einer sich selbst erfüllenden Beschreibung. Sein angekündigter Austritt nämlich bringt die FDP in eine dramatische Lage: Fraktionen sind laut Bürgerschafts-Geschäftsordnung "Vereinigungen von mindestens fünf Abgeordneten" - und mit exakt fünf Abgeordneten waren die Liberalen 2007 nach zwölf Jahren Abstinenz eingezogen. Heißt: Wenn sie nicht einen der zwei Einzelabgeordneten vom rechten Rand rekrutiert, verliert sie ohne Woltemath ihren Fraktionsstatus. Und alles, was damit verbunden ist: Ausschuss-Mandate und bis zum Ende der Legislatur 280.000 Euro. Allenfalls ihre Rücklagen von rund 290.000 Euro könnte die Fraktion bei Auflösung parteinah verwenden - als Abfindung für ihre MitarbeiterInnen, die ihren Job verlieren. "Es sieht so aus, als müsste alles bis hin zum Büromaterial liquidiert werden", sagte Fraktionssprecherin Tina Wendler.

Ganz so dramatisch ist die Lage in der CDU nicht, schließlich ist sie größer: Dass eine Abgeordnete kürzlich zur SPD konvertierte, gefährdete den Status nicht. Die großen internen Verwerfungen seien nur ein Symptom dessen, dass man sich neu aufstelle, antworten gebetsmühlenartig sowohl die kürzlich gekürte Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann als auch Partei- und Fraktions-Chef Thomas Röwekamp. Und trotzdem wird ihnen immer wieder die Frage gestellt, ob ihre Partei vor der Spaltung stehe - oder bereits ein Scherbenhaufen sei. Wobei letzteres wahrscheinlicher ist: An diesem Wochenende stimmt der Landesparteitag über die Wahlliste ab. Und das wird ungewohnt turbulent. Denn sonst pflegte die Union den Vorstandsvorschlag in maximaler Geschlossenheit zu bestätigen. Diesmal aber hatten schon die Vorwahlen zu diversen Austritten geführt, zur Drohung des mitgliederstärksten Ortsverbandes, den Wahlkampf zu boykottieren und zu Verfahren vorm Parteigericht, bei denen sich herausstellte, dass der Vorstand die Satzung zu Ungunsten missliebiger Mitglieder verletzt hatte.

Einer davon war Landesschatzmeister Wolfgang Schrörs: Am Tag nach der Nominierung von Mohr-Lüllmann gab der schließlich seinen Rücktritt zum Jahresende bekannt. Zwar hatte er sich schließlich doch noch Listenplatz 16 erobert. Aber auf den verzichtet er auch, "weil das Vertrauensverhältnis nicht mehr besteht". In der Bürgerschaft war es gestern an ihm als haushaltspolitischem Sprecher der CDU, Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) zu attackieren. "Sie steuern uns in den Abgrund", endete er. Aus der CDU Fraktion wurde geklopft, lang anhaltend, und sehr pflichtbewusst.

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